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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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erwischen konnte, sodass es den Kerlen kaum möglich war, sie festzuhalten. Ein Faustschlag in die Magengrube schließlich ließ sie zusammenklappen.
    «Was soll das Getös?»
    Eva sah keuchend auf. Im Tor zum Gutshof hatte sich eine Klappe geöffnet, durch die ein rotbärtiges Gesicht glotzte.
    «Ist dreckiger Landstörzer», erklärte einer der Angreifer mit frechem Grinsen. «Wollte betteln. Krieg i Belohnung jetzt?»
    Da erst begriff Eva. Sie hatte davon gehört, dass mancherorts der landsässige Adel Vaganten und sogar Zigeuner auf seinen Gütern wohnen ließ, mit dem Auftrag, auf Fremde achtzugeben und alles fernzuhalten, was nach Bettlern und anderem Gesindel aussah.
    Der Rotbärtige spuckte aus. «Dafür, dass du mir solche Haderlumpen vor die Tür schleppst, statt sie zu verjagen? Bist narrisch?»
    Wieder schlug Eva um sich. «Bin kein Landstreicher. Ich bin Schneider und such Arbeit gegen Kost und Unterkunft.»
    «Willst mich vergackeiern? Schneider – ha! Und woher hast du dann deine verschrammte und verblutete Goschn? Bist wohl kopfüber vom Schneidertisch gefallen, was?» Der Wächter lachte keckernd über seinen eigenen Spaß. «Hau ab jetzt, sonst stech ich dir meinen Sauspieß in die Rippen.»
    Eva sah den Mann verblüfft an. Daran hatte sie gar nicht mehr gedacht: Wahrscheinlich sah sie aus wie der übelste Gartknecht, der eben einer Wirtshausschlägerei entkommen war. Und ihr Gewand war dazu völlig verstaubt und fleckig.
    «Verdammt, tu deine dreckigen Pfoten weg.» Wütend biss sie einem ihrer Peiniger in den Handballen. Der jaulte auf und schlug ihr hart ins Gesicht.
    «Was ist das nur für ein Affentanz!» Der Rotbart geriet nun ebenfalls in Harnisch. «Drei Burschen schaffen es nicht, dieses halbe Hemd hier wegzubringen.»
    Er warf einen Strick heraus. «Hier, fesselt ihm die Hände. Wenn ihr jetzt keine Ruh schafft, könnt ihr morgen allesamt von hier verschwinden, verstanden?»
    Ehe Eva sich’s versah, waren ihre Handgelenke aneinandergebunden.
    «Das wirst du mir büßen», schrie sie den Torwächter an. «Du Mistkerl! Du grindiger, rothaariger Flohbeutel!»
    «Dir werd ich das freche Maul schon noch stopfen! Los, bringt ihn her!» Die Luke wurde krachend zugeschlagen, kurz darauf öffnete sich neben dem Haupttor eine schmale Pforte. So grob wurde Eva durch den Spalt ins Innere des Hofes gestoßen, dass sie strauchelte und zu Boden ging. Als sie den Kopf hob, stand über ihr der Wächter, ein Bär von einem Mannsbild, daneben zwei Knechte, die sie neugierig anglotzten.
    «Das macht mindestens zwanzig Peitschenhiebe.» Der Rotbärtige grinste voller Häme. «Holen wir also den Alten, der wird sich freuen über diese Abwechslung.»
    «Er ist nicht da», sagte einer der Knechte. «Ist unterwegs zum Ständetag. Und die jungen Herren sind noch auf der Jagd.»
    «Dann bringt ihn halt so lang runter ins Loch.»
    Eva hatte keine Kraft mehr. Ohne weitere Gegenwehr stolperte sie den Knechten hinterher, quer über den riesigen Hof,vorbei am Herrenhaus, das jetzt aus der Nähe mit seiner abgeblätterten Farbe schon etwas schäbiger aussah, vorbei an Remise und Stall bis zu einem langgestreckten Wirtschaftsgebäude. Dort, im Steinsockel des Erdgeschosses, führte eine Rampe abwärts, durch einen Rundbogen geradewegs in das kalte Dunkel des Gewölbekellers.
    Eva fragte sich, wie sie aus diesem Schlamassel wohl wieder herauskäme. Als einer der Männer einen Kienspan entzündete, entfloh eine fette Ratte ihren Füßen, huschte den Gang hinunter und quetschte sich unter einem Eisengitter hindurch, das einen winzigen Raum abtrennte.
    «Da hast gleich die richtige Gesellschaft», lachte der Mann und öffnete das Gittertor. Die schwere Eisenkette an der Wand und der Haufen Stroh davor verrieten Eva, dass sie am Ziel angelangt waren: im Verlies des Herrenhofs.
    «Was geschieht jetzt?», fragte sie mit dünner Stimme.
    Der mit dem Kienspan zuckte die Schultern. «Wirst wohl warten müssen bis heut Abend.»
    «Ich hab Durst.»
    «Essen und Trinken gibt’s auch erst später. Hättest es dir halt früher überlegen müssen, ob du dich mit dem Rotbart anlegst. Andrerseits – hat dem mal ganz recht geschehen.»
    Er warf einen Blick auf die Eisenkette. «Wenn du mir versprichst, keinen Aufstand mehr zu machen, dann lass ich das mit der Kette.»
    «Ich versprech’s.»
    Sie konnte kaum noch die Tränen zurückhalten, als sie sich auf das schmutzige Stroh sinken ließ. Von der Wand gegenüber fiel durch eine winzige

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