Die Vampire
mehr helfen.«
Durch die Fugen zwischen den Steinplatten sickerte Wasser herauf. Hier und da war der Boden mit grünweißem Moos bewachsen. An Kostakis Bandagen befanden sich ähnliche Schimmelflecke.
»Nein«, erklärte Godalming dem Ältesten, »die Lage ist zwar sehr ernst, aber noch ist die Schlacht nicht verloren. Wenn wir die Pläne unserer Widersacher durchkreuzen könnten, ließe sich daraus nicht geringer Vorteil ziehen.«
»Vorteil? Ihr Engländer habt nichts anderes im Kopf als euren Vorteil.«
Godalming war stärker als diese fremdländische Bestie, von schärferem Verstand. Er vermochte das Blatt so zu wenden, dass er als unbestrittener Sieger aus ihrem Duell hervorging. »Wenn ich den Polizisten finde, kann ich eine Verschwörung gegen den Prinzgemahl aufdecken.«
»Das hat der Schotte auch gesagt.«
»Steckt der Diogenes-Club dahinter?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
»Mackenzie hat so etwas erwähnt. Kurz vor seinem Tod.«
»Der Schotte machte nicht allzu viele Worte.«
Kostaki würde ihm verraten, was er wusste. Dessen war Godalming sicher. Er konnte förmlich mit ansehen, wie sich die Zahnräder im Kopf des Ältesten zu drehen begannen. Er wusste, wo er den Hebel anzusetzen hatte.
»Mackenzie hätte bestimmt gewollt, dass die Sache aufgeklärt wird.«
Zustimmend senkte Kostaki den wuchtigen Schädel. »Der Schotte hat mich zu einem Haus in Whitechapel geführt. Er war einem Neugeborenen auf den Fersen, den sie den ›Sergeant‹ oder
›Danny‹ nennen. Am Ende hat ihn sein eigener Fuchs zur Strecke gebracht.«
»Also ist dieser Mann Mackenzies Mörder?«
Kostaki nickte und deutete auf seine Wunde. »Jawohl, derselbe, dem ich dieses zu verdanken habe.«
»Wo in Whitechapel?«
»Die Gegend heißt das Alte Jago.«
Er hatte davon gehört. Alle Spuren in dieser Angelegenheit schienen nach Whitechapel zu führen: wo Jack the Ripper mordete, wo John Jago seine Reden schwang, wo nicht selten Agenten des Diogenes-Clubs auftauchten. Morgen Nacht wollte Godalming sich aufmachen, den finstersten Teil Londons zu erkunden. Er war gewiss, dass dieser Sergeant dem Vampir, in den Arthur Holmwood sich verwandelt hatte, nicht das Wasser reichen konnte.
»Nur Mut, alter Knabe«, sprach Godalming dem Ältesten zu. »Wir werden Sie auf schnellstem Wege hier herausholen.«
Er trat auf den Korridor und rief den Yeoman Warder herbei, die Zellentür zu verriegeln. Durch die Gitterstäbe sah er, wie Kostaki die roten Augen schloss und sich auf seiner Pritsche niederlegte.
Unter einem Bogen am Ende des Flurs stand ein hochgewachsener, buckliger nosferatu im langen, abgerissenen Gehrock. Mit seinem aufgeschwollenen Schädel, den spitzen Ohren und hervorstehenden Hauern gemahnte er Godalming an ein Nagetier. Seine tränenden Augen saßen in schwarzen Höhlen, die Schatten auf seine Wangen warfen, und schnellten unentwegt hin und her. Selbst seinen Mitältesten war die Gegenwart des Grafen Orlok, eines entfernten Verwandten des Prinzgemahls, nicht recht geheuer. Seine grausige Gestalt erinnerte sie fortwährend daran, wie wenig sie noch mit den Warmblütern gemein hatten.
Orlok trippelte den Korridor entlang. Nur seine Füße schienen
sich zu bewegen. Sein Körper hingegen war steif wie eine Wachsfigur. Als er bei Godalming angekommen war, sträubten sich seine geschwungenen Augenbrauen wie die Barthaare einer Ratte. Er verströmte einen weniger strengen, dafür aber umso fauligeren Geruch als Kostakis Zelle.
Godalming grüßte den Governor, ohne Orloks welke Klaue zu schütteln. Orlok spähte in Kostakis Zelle, indem er, die Hände links und rechts der Tür gegen den kalten Stein gepresst, sein Gesicht nah an das Gitter drückte. Der Yeoman Warder wich vor seinem Kommandeur zurück. Orlok stellte nur selten Fragen, stand jedoch in dem Ruf, mühelos Antworten zu erhalten. Er wandte sich von der Zelle fort und blickte Godalming aus lodernden Augen an.
»Er schweigt beharrlich«, erklärte Godalming dem nosferatu. » Hartnäckiger Bursche. Er wird vermutlich hier verrotten.«
Orloks Hai-Ratten-Hasen-Zähne schabten über seine Unterlippe, was bei ihm bereits als Lächeln gelten mochte. Godalming beneidete keinen der Gefangenen, die der Obhut dieser Kreatur anvertraut waren.
Der Yeoman Warder geleitete ihn zum Hauptportal hinauf. Über dem Tower graute der Morgen. Noch immer zitterte Godalming von dem Blut, welches er Helena entnommen hatte. Er verspürte den Drang, den Heimweg im Laufschritt
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