Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
Vom Netzwerk:
Gott und meint Kattun. Er wird erst einhalten, wenn wir ihm Einhalt gebieten. Selbst dann muss er vernichtet werden. Wir dürfen Dracula kein zweites Mal das Leben schenken.«
    »Ich teile die Ansicht des Premierministers«, sagte Lloyd George. »Dracula kommandiert die Mittelmächte. Wir müssen seinen Willen brechen.«
    Beauregard räumte verdrossen ein, dass auch er an eine Großoffensive glaube. »Wenn die Feindseligkeiten an der Ostfront erst beendet sind, steht uns für den Kampf im Westen ein Millionenheer zur Verfügung. Im Feuer der Schlacht gehärteter Stahl, keine milchbärtigen Rekruten.«
    »Und Malinbois?«, fragte Ruthven. »Ob das Château Draculas Vorposten ist? Er wird gewiss ins Feld ziehen wollen. In dieser Hinsicht ist er ein eitler Barbar. Noch hat er es nicht getan, aber es wird ihn zweifellos danach gelüsten.«
    »Das Schloss wäre ein vorzügliches Hauptquartier«, meinte Beauregard. »Um eine Bodenoffensive zum Erfolg zu führen, muss er uns in der Luft den Schneid abkaufen. Dazu braucht er das JG1 an seiner Seite.«

    Erregt ließ Ruthven die Hand auf seinen Schreibtisch niedersausen. Seine monotone Stimme schwoll an zu einem ohrenbetäubenden Kreischen.
    »Ich hab’s! Er will seine schwarzen Schwingen ausbreiten und fliegen. Er wird mit seinem Luftschiff, der Attila, aufsteigen. In diesem Krieg geht es allein um ihn und mich. Wir sitzen uns am Schachbrett Europa gegenüber. Für ihn bin ich das Großbritannien, das ihn erniedrigt und verspottet hat. Für mich ist er der Vampir der Vergangenheit, die es zu überwinden gilt. Es ist ein Kampf um Philosophie und Ästhetik …«
    In Churchills Bauch rumorte es, und Lloyd George inspizierte die Aufschläge seiner gestreiften Hosen. Beauregard fragte sich, ob Millionen wirklich Toter glaubten, sie seien für Philosophie und Ästhetik in den Krieg gezogen.
    »Dies ist unser Duell. Mein Verstand gegen den seinen. Er ist gerissen, das muss man ihm lassen. Und mutig, zu allem bereit. Wie er sein Spielzeug liebt: seine Züge, seine Flugmaschinen, seine schweren Geschütze. Er ist wie ein monströses Kind. Wenn er seinen Willen nicht bekommt, wird er die Welt verwüsten.«
    Ruthven stand auf und vollführte dramatische Gebärden, als posiere er für ein Porträt: Der Premierminister in seiner ganzen Pracht.
    »Doch ich weiß, wie wir unseren bösen Feind zu Fall bringen werden. Beauregard, behalten Sie Schloss Malinbois im Auge. Ich wünsche Einzelheiten, Fakten, Zahlen. Mr. Croft, dies scheint mir ein Projekt so recht nach Ihrem Geschmack zu sein. Sie werden Beauregards Berichte entgegennehmen und in eine Ordnung bringen.«
    Der Mordagent runzelte die Augenbrauen.
    Ruthven fuhr fort: »Wir können Draculas Kinderstuben-Schwärmereien gegen ihn benutzen, ihn in unsere Falle locken und unsere Hände um seine vermaledeite Kehle schließen.«

5
Der Prophet von Prag
    L ichtdolche stachen durch die Ritzen zwischen den scharf gezackten Ziegeln, die das niedrige, abschüssige Dach bedeckten. Die kletternde Sonne raubte ihm die Kraft, doch in ihm wütete der rote Durst. Er hungerte nach Menschenblut. Edgar Poe wähnte sich, wie immer, einen armen Hund.
    Er saß auf seiner Pritsche, hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt und hielt den Kopf gesenkt, damit er nicht gegen die Decke stieß. An der gegenüberliegenden Wand ragten, zwei oder drei Reihen tief, massive Büchersäulen in die Höhe. Die dicksten, nur selten benutzten Bände bildeten einen literarischen Sims, der ihm als Tisch diente. Ein halbvoller Humpen seimigen Saftes stand in einer kreisförmigen Vertiefung im Leineneinband seines Schiller. Der Gestank von tagealtem Tierblut stach ihm in Mund und Nase. Sein Magen setzte sich zur Wehr, doch bald schon würde er trinken müssen.
    Dies war nicht die erste Durststrecke seit seiner Verwandlung. Warmblütigen Menschen fraß der Hunger Löcher in den Bauch; der nosferatu- Schmerz hingegen war ein pulsierendes Feuer im Herzen, verbunden mit einem quälenden Verlangen im Hals und auf der Zunge. Die Nährkraft des Blutes lag im Geschmack und der Substanz sowie der geistigen Verschmelzung bei der Vampir-Kommunion.
    Ihn ins Ghetto, Prags uraltes Repositorium für Ausländer und Ungeliebte, zu sperren, war von erlesener Grausamkeit. Dem von Franz Joseph und Kaiser Wilhelm erlassenen Grazer Edikt zufolge war es einem Hebräer verboten, sich zu verwandeln. Daher betrachteten die Juden den Vampir als Raubtier und hielten ihre Frauen von ihm fern. Wie bei den

Weitere Kostenlose Bücher