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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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Hund zum Kampfe hetzen. Die Vampir-Pudeldame öffnete den Mund und entblößte zögernd ihre Hauer. Sie versuchte zu fauchen.
    Kate spielte mit dem Gedanken, das närrische Mädchen ins Freie zu zerren und ihrem Hinterteil eine ordentliche Tracht Prügel zu verpassen. Eine grausame Strafe: An der Sonne würde sie zu Staub zerfallen.
    Pater Pitaval war wieder auf den Beinen, er wirkte verängstigt. Der General bekam nicht allzu viel für seine Patronage.
    »Mireau, haben Sie eigentlich kein Schamgefühl im Leib?«, fragte Kate.
    Sie drehte sich um und ging davon. Sie hörte, wie der General mit seinen Untergebenen schimpfte. Ein winziger Funke der Genugtuung
wärmte ihr das Herz. Zwar hatte sie nicht viel erreicht, aber Mireau war so sehr getroffen, dass er gewiss zurückschlagen würde. Wenn sie sich in Trab hielt, konnte sie ihn besiegen.
    Doch es gab wichtigere Dinge zu bedenken. Zum Beispiel das Château du Malinbois.
    Sie stieg auf ihr Fahrrad und strampelte davon. Auf dem Weg zum Bahnhof pfiff sie die »Barcarole« aus Hoffmanns Erzählungen und dachte an Flieger und Tänzerinnen.

8
Die Festung
    I m Château du Malinbois herrschte ewige Nacht. Bei Tage waren die mittelalterlichen Fensterschlitze verrammelt, die steinernen Gänge von wenigen Kerzen spärlich erhellt. Selbst ein Vampir spürte die Kälte im feuchten Bauch des Schlosses. Das Geräusch herabtropfenden Wassers war ebenso allgegenwärtig wie das granitgedämpfte Donnern der Geschütze. Nur im Arbeitsbereich der Wissenschaftler bediente man sich der Elektrizität. Im Untersuchungsraum gab es nicht einen finsteren Winkel. Alles war in grelles Licht getaucht. Man brauchte sich nur auf den Tisch zu betten, und schon lag das ganze Innenleben bloß.
    Leutnant Erich von Stalhein fragte sich, ob General Karnstein Malinbois gewählt hatte, um den Fliegern das Gefühl zu geben, lebendig begraben worden zu sein, um ihren Wunsch zu fliegen anzufachen. Hoch am Himmel, beflügelt von den ungezügelten Luftströmen und der Kraft des Mondes, ließen sie die Fesseln der Erde hinter sich.
    Stalhein wälzte sich auf den Bauch, während ten Brincken weitere
Messergebnisse überprüfte. Der Direktor war ein mürrischer Bär mit buschigen grauen Augenbrauen und ähnelte eher einem Hafenboxer denn einem Wissenschaftler. Womöglich rührte seine Vorliebe für die physische Vervollkommnung des Menschen von dem Wissen um sein bärenhaftes Aussehen her.
    Über dem Tisch war eine Reihe drehbarer Leuchten angebracht. Stalheins Stammesgenossen erblühten im Mondschein, mit Glühdrähten in Glasbirnen wussten sie nichts anzufangen. Kaltes Kunstlicht verschaffte ihnen keinerlei Befriedigung.
    Dr. Caligari, der Nervenarzt vom ersten Jagdgeschwader, war eingetreten. Stalhein hörte sein unbeholfenes Watscheln, roch seine stinkenden Kleider. Insgeheim hielt er Caligari für einen Quacksalber. Wie ten Brincken war er vom Vampirismus fasziniert. Bei ihren Zusammenkünften versuchte er Stalhein jedes Mal auszuhorchen und stellte ihm Fragen über Fragen zur Blutsaugerei.
    »Hals- und Brustmuskulatur sind hervorragend entwickelt«, erklärte ten Brincken dem Arzt. »Sie sind derart ausgeprägt, dass man sie mit einer Gradeinteilung versehen könnte. Es scheint eine umfassende Veränderung einzutreten. Eine Evolution.«
    Die Wissenschaftler sprachen über ihn, als sei er ein Leichnam, den sie zum Vergnügen sezierten. Stalhein war diese Art der Behandlung gewohnt. Seine Ehrerbietung gegen den Kaiser zwang ihn, solche Untersuchungen über sich ergehen zu lassen. Kein Flieger des JG1 wurde von dieser Pflicht befreit, nicht einmal der Baron.
    Ten Brincken beendete die Untersuchung und schaltete die Deckenleuchten aus. Mit der Schnelligkeit eines Vampirs glitt Stalhein vom Tisch und stand auf. Caligari fuhr erschrocken zusammen, er trug einen altmodischen Frack. Stalhein kleidete sich an, stieg in Reithosen und Stiefel und schlüpfte in ein frisches Hemd. Ten Brincken, plötzlich ölig wie ein Kammerdiener, half ihm in
seinen Waffenrock. Er schob die Arme hinein und knöpfte ihn von unten nach oben zu.
    »Schön, schön, Herr Leutnant«, flötete ten Brincken. »Ganz vortrefflich.«
    Nackt war Stalhein nichts weiter als ein Studienobjekt. In Uniform gemahnte er an einen Dämonenfürsten.
    Ten Brinckens Domizil war eine Mischung aus Altem und Modernem. Die steinernen Mauern datierten aus dem vierzehnten Jahrhundert und waren mit allerlei wissenschaftlichen Urkunden geschmückt. Der Direktor

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