Die Vampire

beiläufigen Bemerkungen über ihre Streiche und Heldentaten würzten. Als Kate sich nach ihren Ansichten über den Krieg erkundigte, wurden sie verlegen, faselten etwas von »Pflichterfüllung, meine Liebe«, und sahen britische Institutionen wie Gurken-Sandwiches, Kricketpartien und den Linksverkehr bedroht, wenn man dem Kaiser und Dracula nicht umgehend das Handwerk legte.
    Kate wusste nicht, wozu das alles gut sein sollte in der Welt, die sie sich wünschte, nach dem Krieg. Falls es ein »nach dem Krieg« je geben würde.
    »Sagen Sie«, begann Algy, »sind Sie eine dieser netten Suffragetten?«
    »Frauenwahlrecht und so’n Quatsch?«, setzte Bertie hinzu.
    »Das Wahlrecht gebührt jedermann. Aber wann hat Großbritannien das letzte Mal gewählt?«
    Lord Ruthven hatte alle Wahlen auf unbestimmte Zeit verschoben, eine Regierung der nationalen Einheit eingesetzt und den nominellen Oppositionsführer Lloyd George zum Kriegsminister ernannt. Der Premierminister begründete sein Verbleiben im Amt damit, dass er das Land vor zwanzig Jahren sicher durch die Zeit des Schreckens geleitet habe. Seine Regierung mochte töricht, brutal und tyrannisch sein, dennoch war sie aus dem blutigen Alptraum des Dracula-Regimes hervorgegangen. Im Vergleich dazu war Ruthven eigentlich gar nicht so übel. Zumindest war er ein britisches blutgieriges Monstrum, und neben der feurigen, herrschsüchtigen Grausamkeit des früheren Prinzgemahls verblasste er zu einem bescheidenen, unscheinbaren Männlein. Der Premierminister hatte während seiner gesamten Amtszeit kaum je eine klare Entscheidung getroffen. Seine Politik wurde vom Gebot der Unverbindlichkeit bestimmt. Ruthven wies jede Verantwortung von sich.

    »Früher oder später wird sich die Lage normalisieren, meine Beste«, meinte Bertie. »Wir kämpfen auf der rechten Seite.«
    Die gleichgültige Selbstzufriedenheit dieser tapferen Kinder erschien Kate geradezu tragisch. Es war kaum damit zu rechnen, dass sie den Krieg, geschweige denn den Frieden, überleben würden. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Fliegers an der Westfront betrug etwa drei Wochen.
    »Keine Bange«, fuhr Bertie fort, »alles wird sich zum Besten wenden.«
    Eine Sopwith Snipe hielt sich höchstens drei Stunden in der Luft. Dieser leidige Umstand bereitete den Männern von Maranique weitaus größere Sorgen als die Anwesenheit einer verirrten, verwirrten kleinen Journalistin.
    Kate wusste, dass nur selten eine ganze Streife dem Feind zum Opfer fiel. Ein paar versprengte Überlebende kamen immer durch und hinkten mit qualmenden Motoren und versengten Flügeln heimwärts.
    Da sie für Zerstreuung sorgte, war sie auf dem Flugplatz verhältnismäßig freundlich aufgenommen worden. Wären ihre Gefangennahme und die zwanglose Vernehmung nicht gewesen, hätten die Flieger immer wieder ihrer »Armen Butterfly« gelauscht, mit zum Zerreißen gespannten Nerven.
    »Meine Tante Augusta war auch eine Suffragette«, sagte Algy. »Sie kettete sich an den Zaun vor den Houses of Parliament. Es goss wie aus Kübeln, und sie holte sich eine tödliche Erkältung. Wenn sie sich nicht verwandelt hätte, wäre sie daran gestorben. Sie wurde wieder jung, ließ den alten Onkel sausen und begann eine Laufbahn als Primaballerina. Das Thema Wahlrecht ist für sie endgültig passé. Jetzt will sie im Sadler’s Wells Das Frühlingsopfer tanzen. Wenn mich nicht alles täuscht, hat sie was mit diesem Nijinsky. Sie wissen schon, der Lump, der beim pas de deux seine Gestalt zu wandeln pflegt.«

    »Drei Stunden«, verkündete Allard mit eisigem Blick. »Die Streife ist verloren.«
    Eine Zeit lang herrschte eisiges Schweigen. Das Grammophon wartete klickend darauf, aufgezogen zu werden.
    »Gemach«, sagte Bertie schließlich. »Geben wir ihnen noch ein paar Minuten Zeit. Der alte Tom und die anderen haben schon so manches Spiel in der Verlängerung gewonnen und sind mit Ach und Krach und Gottes Segen heil nach Hause zurückgekehrt. Kein Grund, im guten alten Wing Aufruhr zu stiften.«
    »Die drei Stunden sind um. Wie gut die Männer auch sein mögen, ihre Mühlen machen das nicht mit.«
    Allard war Amerikaner und gehörte offensichtlich nicht zum Club. Er hatte, selbst für einen Vampir, seltsame Augen. Plötzlich wurde Kate von neuem bewusst, dass sie dringend Nahrung brauchte. Ihr Herz war schwer wie ein Betonklotz.
    Als der Captain den Telefonhörer abhob, sagte Algy: »Ich bitte Sie, das ist doch wirklich nicht nötig.«
    Allard