Die Vampire
Spinnenfinger, Nagezähne und eingefallene Wangen;
eine Pelzmütze bekrönte seinen kahlen, aufgeschwollenen Schädel, und seine Hände waren zu Gichtklauen verkrümmt. Poe hatte noch nie einen so abstoßenden Vampir gesehen. Ein Exemplar wie dieses würde selbst ten Brincken nicht vermessen und klassifizieren können. Orlok war ein Dämon aus der Hölle, kein Geschöpf der Wissenschaft.
»Ich dachte, wir hätten noch ein wenig Zeit«, murmelte Theo.
Poe wollte seinen Freund um eine Erklärung bitten, doch Theo verstummte jäh. Er hatte schon zu viel gesagt.
Im Schutze seines Sonnenbaldachins sah Orlok sich um. Seine Augen wanden sich in ihren Höhlen. Poe versuchte gerade zu stehen. Richthofen nahm unwillkürlich Haltung an, zur Musterung bereit.
General Karnstein kam, flankiert von Dr. Caligari und ten Brincken, durch das Portal. Im Gefolge des Generals tummelten sich mehrere Flieger, die sich hastig in erste Garnitur gezwängt hatten. Das den Helden üblicherweise zugestandene Recht auf Individualität war vorübergehend außer Kraft gesetzt.
Der General grüßte den Grafen, der knurrend mit der Klaue winkte. Der Älteste zog es offensichtlich vor zu schweigen.
Die kleine Ausflugsgesellschaft, die sich am Seeufer ergangen hatte, schloss sich Karnsteins Kader an. Baron von Richthofen nahm seine standesgemäße Position an der Spitze des Geschwaders ein. Theo setzte sich links von ihm hinter den General. Poe hatte sich eben neben Theo gestellt, als jemand - Hanns Heinz Ewers, wer sonst? - vor ihn trat und ihm die Sicht nahm.
Der größte Kradbegleiter erwiderte Karnsteins Gruß und schob sich die Motorradbrille auf die Stirn. Er war ein stattlicher neugeborener Preuße mit gestutztem Schnurrbart, starrem Lächeln und Schmissen im Gesicht.
»Hardt vom Generalstab«, stellte er sich vor.
Der Neugeborene war Orloks Sprachrohr. Er trug einen langen
Mantel und eine Schutzhaube aus schwarzem Leder. Hardt sah sich im Schlosshof um, dann richtete er den Blick gen Himmel.
»Das also ist der Schlupfwinkel unserer Ritter der Lüfte. Ich bin bei der Marine. U-Boot-Flotte.«
Karnstein nickte.
»Sie haben ein beeindruckendes Quartier, Herr General. Und eine ebenso beeindruckende Bilanz. Welcher von Ihren Männern ist unser roter Kampfadler?«
Karnstein wies auf den Baron. Der trat vor und salutierte. Hardt erwiderte den Gruß und schüttelte Richthofen die Hand.
»Es ist mir eine Ehre«, sagte Hardt. »Sie sind ein Held.«
»Ich erfülle nur meine Pflicht.«
Poe konnte die Augen nicht von Orlok lassen. Der Älteste wirkte nachgerade zerbrechlich, als ob seine langen Finger jeden Moment knicken und zerbröckeln könnten. Wenn ihn ein Sonnenstrahl getroffen hätte, so wäre er im Nu zu Staub zerfallen. Dennoch steckte eine Kraft in ihm, die über Jahrhunderte gewachsen war. Die Verzweiflung, mit der er sich ans Leben klammerte, musste unfassbar groß sein. Die Uralten waren unergründlich.
Ewers wandte sich an Hardt. »Darf ich fragen, ob Dr. Mabuse Zeit gefunden hat, sich mit meinem Bericht zu beschäftigen?«
»Sie sind …?«
»Hanns Heinz Ewers.«
»Der Doktor wird Ihre Beschwerde mit der gebührenden Sorgfalt erwägen, Herr Ewers. Aber Sie haben sicherlich Verständnis dafür, dass dringendere Angelegenheiten seine Zeit in Anspruch nehmen.«
Ewers senkte den Kopf und knabberte wütend an seiner Unterlippe.
»Haben Sie seinetwegen solche Schwierigkeiten, Herr Edgar Allan Poe?«
Poe konnte sich die heimtückischen Verleumdungen, die Ewers dem Doktor übermittelt hatte, lebhaft vorstellen. Der Deutsche setzte offenbar alles daran, sein Ansehen zu untergraben. Poe zuckte hilflos mit den Schultern. Hardt musterte ihn von oben bis unten.
»Herr Ewers behauptet, Ihr guter Ruf sei gänzlich unverdient«, sagte Hardt mit einem süffisanten Lächeln.
Poe versuchte den festen Blick des Neugeborenen zu erwidern.
»Ganz im Gegenteil«, widersprach er, in der Hoffnung, sein Unbehagen hinter markiertem Schneid verbergen zu können, »und er wäre noch viel besser, würde ich nicht fortwährend von abgefeimten Plagiatoren geplagt. Wenn meine Werke tatsächlich so überschätzt sind, weshalb lassen sich dann so viele Schmierfinken dazu herab, sie nachzuahmen?«
Ewers funkelte ihn böse an. Poe hatte nicht gewusst, wie sehr der Deutsche ihn beneidete.
»Wir sind mit Herrn Poes Arbeit hochzufrieden«, fuhr Richthofen dazwischen.
Hardt runzelte sardonisch die Augenbrauen. Auch Poe war überrascht.
»Sie glauben
Weitere Kostenlose Bücher