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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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also, Ihr Mitverfasser sei seiner Aufgabe gewachsen?«
    »Ohne den geringsten Zweifel.«
    Hardt bedachte Ewers mit einem abschätzigen Lächeln und einem kaum merklichen Achselzucken.
    »Tja, mein lieber Ewers, damit ist das Thema wohl vom Tisch. Unser Kampfadler muss es schließlich am besten wissen. Ich danke Ihnen, dass Sie uns von dem Vorgang unterrichtet haben, aber Ihre Sorge ist ganz offensichtlich völlig unbegründet.«
    Ewers wurde rot vor ohnmächtigem Zorn. Die Adern an seinen Schläfen weiteten sich und pulsierten. Baron von Richthofen hatte Poe soeben vor dem sicheren Tod bewahrt. Oder doch zumindest
vor dem Verlust seiner Stellung. Ewers hatte versucht, ihn zu eliminieren.
    »Wollen wir nicht hineingehen?«, schlug Hardt vor. »Graf von Orlok hält sich nach Sonnenaufgang nur ungern im Freien auf.«
    Karnstein trat beiseite. Die Flieger standen vor dem Eingang zur Großen Halle Spalier. Von seinen motorisierten Leibwächtern flankiert, schleppte Orlok sich im Schatten des Baldachins über das Kopfsteinpflaster. Hardt nahm den spitzen Ellbogen des Grafen und half ihm auf die erste der drei Stufen zum Portal.
    Plötzlich blieb Orlok stehen. Der stumme Vampir hielt an alten Traditionen fest. Er trat nur über eine Schwelle, wenn man ihn dazu aufgefordert hatte.
    »Graf von Orlok«, sagte Karnstein, »willkommen im Château du Malinbois. Bitte fühlen Sie sich wie zu Hause.«
    Orlok rieb die Fingernägel aneinander wie eine Zikade ihre Beine. Hardt half ihm die Treppe hinauf. Im Halbdunkel des Schlossportals schüttelte der Älteste die Kradbegleiter ab. Der Verwesungsgeruch von Orloks alten Kleidern war so stark, dass Poe in dem schmalen Flur, der in die Große Halle führte, fast erstickte.
    Karnstein folgte Hardt und Orlok die Treppe hinauf und wies den Weg in die Halle. Poe hielt sich dicht hinter ihnen, gefolgt von Theo und Ewers. Bei der Vorstellung, dass Ewers daran dachte, ihn meuchlings zu erdolchen, lief ihm ein Schauder über den Rücken.
    Richthofen ließ den Ältesten den Vortritt und drängte sich zwischen Poe und Theo. In der Tür wandte er sich noch einmal um und warf Ewers, der auf der untersten Stufe stehen geblieben war, um seinen Ärger zu verdauen, einen hasserfüllten Blick zu.
    »Ewers«, sagte Richthofen, »ich wäre Ihnen äußerst dankbar, wenn Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten kümmern und meinen Biografen künftig in Frieden lassen würden.«
    »Aber Herr Baron, ich …«

    Poe stand hinter dem Baron und sah nur dessen ordentlich ausrasierten Nacken. Ewers befiel lähmendes Entsetzen. Plötzlich hatte Richthofen spitze Ohren, und seine Kieferknochen verformten sich. Als er sich kurz darauf umdrehte, wirkte er ebenso kühl und gleichgültig wie sonst. Poe dankte Gott, dass er dem Baron während der vergangenen Sekunden nicht hatte ins Gesicht sehen müssen. Eine blutige Träne rollte Ewers über die Wange. Die Angst saß ihm noch in den Gliedern.
    Sie ließen Ewers im Schlosshof zurück und gesellten sich zu Orloks Abteilung, die soeben die Wand voller Trophäen bestaunte, während General Karnstein die Siege der einzelnen Flieger aufzählte.
    »Höchst eindrucksvoll«, rief Hardt. »Graf von Orlok bewundert die Verdienste des JG1. Ebenso wie sein schätzenswerter Vetter Graf von Dracula.«
    »Es wird meinen Männern eine große Ehre sein«, sagte Karnstein. »Sie sind Neugeborene. Nur wenige ihrer Art sind auserwählt, eine so hehre Mission zu erfüllen.«
    Poe schien etwas Wichtiges versäumt zu haben. Von welcher Mission sprach der General?
    »In Anbetracht der Bedeutung dieser Stellung«, sagte Hardt, »hat Berlin beschlossen, sie offiziell umzubenennen. ›Château du Malinbois‹ klingt für unseren Geschmack ein wenig zu … französisch. Ab sofort soll sie, zu Ehren der Helden des JG1, Schloss Adler heißen.«
    Orlok strich an der Trophäenwand entlang und kratzte sich mit seinen Spinnenklauen das Kinn, während er die Andenken betrachtete. Obgleich er mit seinen riesenhaften Rattenohren selbst die winzigen Geräusche hören musste, die Poe den Verstand zu rauben drohten, tat er, als würde er kein Wort verstehen. Hardt war lediglich eine grinsende Maske, eine tanzende Marionette. Orlok hielt die Fäden in der Hand.

    »Nun, sofern Ihr Geheimdienstoffizier abkömmlich ist …«
    Theo trat forsch und schneidig vor. Mit einem Mal war seine Unbekümmertheit verflogen. Dieser Oberst Kretschmar-Schuldorff würde seinen Posten bis zum Jüngsten Tag verteidigen.
    »…

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