Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
Vom Netzwerk:
Theo trat ins Freie und stellte zum Schutz gegen den Wind, den Poe gar nicht bemerkt hatte, den Kragen hoch. »Haben Sie einen Augenblick Zeit? Ich habe etwas Dringendes mit Ihnen zu besprechen.«
    Seit Orloks Ankunft hatte Theo tausend Pflichten. Mit Hilfe des ewig grinsenden Hardt wachte der Älteste über alle geheimdienstlichen und sicherheitstechnischen Belange. Es konnte gar nicht genug Inspektionen und Kontrollen geben. Nachdem man in den Akten einiger Männer, von Karnsteins persönlichem Adjutanten bis hinunter zur Putzkolonne des Schlosses, winzige Verfehlungen entdeckt hatte, waren die Schuldigen auf der Stelle entlassen worden.
    Theo gab sich in letzter Zeit, wie alle, übertrieben förmlich. Die Flieger trugen Paradeuniform, schmückten sich mit ihren Orden und mussten dicke Bücher mit militärischen Verhaltensregeln auswendig lernen. Theo trug einen Überzieher mit Pelzkragen über seiner makellosen Garnitur. An seinem Waffenrock hing ein Eisernes Kreuz, das er im aktiven Dienst in Belgien errungen hatte. Er hielt eine große, flache Schachtel unter dem Arm.
    »Um es gleich vorwegzunehmen, von Ewers haben Sie nichts mehr zu befürchten.«
    Seit seinem Auftritt vor Orlok hackte Ewers missgelaunt »Berichte« in die Schreibmaschine und betrieb seine Beförderung.
    »Der Baron hat die Angelegenheit persönlich bereinigt.«

    Poe wagte nicht, sich auszumalen, was das zu bedeuten hatte.
    »Nun, wie Sie wissen, wird unser kleines Nest in Kürze einem hochfliegenden Vogel Unterkunft bieten. Aufgrund seiner Erfolge waren dem JG1 bislang gewisse Freiheiten vergönnt, die nunmehr als unpassend empfunden werden.«
    Theo hatte ihm offenbar eine unangenehme Mitteilung zu machen.
    »Wenn ich recht verstehe, so haben Sie in der Armee der Konföderierten den Rang eines Colonels bekleidet?«
    »Ich habe mich vom Gemeinen hochgedient. Unter dem Namen Perry.«
    Theo hielt die Schachtel wie ein Tablett. Als er sie öffnete, verwehte eine Bö dünnes Papier.
    »Obgleich der leidige Umstand, dass unser erklärter Feind, die Vereinigten Staaten von Amerika, sich die Konföderation zur Gänze einverleibt hat, die Sache, wie Sie sicher verstehen werden, erheblich kompliziert, sind Sie allem Anschein nach durchaus berechtigt, dies zu tragen.«
    In der Schachtel lag, ordentlich gefaltet, die Uniform eines Obersturmbannführers der Ulanen. Poe nahm die Ulanka an sich. Sie war von feinster Qualität, mit zwei Reihen goldschimmernder Knöpfe. Theo salutierte.
    »Jetzt haben wir den gleichen Rang, Oberst Poe.«
     
    Er versuchte, sich an das unentwegte Salutieren zu gewöhnen. Seit er seinen Rang zurückerhalten hatte, mussten ihn die meisten Bewohner von Schloss Adler grüßen, und er war verpflichtet, die Geste forsch und schneidig zu erwidern.
    »Als wir den Westturm öffneten, wurde der Schmutz von Jahrhunderten aufgewirbelt«, sagte Göring. »Wir mussten Emmelman hineinschicken. Er hat alles gefressen, was dort kreuchte und fleuchte, und den Dreck zu einem großen Teil gleich mit.«

    Emmelman war der Kobold des Geschwaders, der keine menschliche Gestalt mehr annehmen konnte, eine unförmige Masse aus wimmelnden Wurmfortsätzen, die sich bedrohlich durch die schmalen Gänge schleppte. Selbst diese Kreatur steckte in einer makellosen Uniform.
    Die Große Halle wurde renoviert. Die Trophäenwand blieb unberührt, dafür hatte man überall elektrische Lampen installiert, die den Schatten aus dem Gewölbe vertrieben. Jahrhundertealte Spinnweben wurden rücksichtslos verbrannt. Die Putzkolonne mästete sich an den Arachniden, die sie als Zubrot zu ihrem mageren Sold betrachtete.
    »Haben Sie das Ungetüm im Hof gesehen?«, erkundigte sich Göring bei Poe. »Ihr Lauf ist größer als ein Fabrikschornstein. Die Ingenieure behaupten, damit könne man ohne weiteres Paris treffen.«
    Rings um das Schloss waren Batterien aus dem Boden gewachsen. Hauptsächlich Flugabwehrkanonen. Das JG1 rüstete sich für Luftgefechte nahe der Heimat. Albert Balls glücklichem Beobachter sei Dank, wussten die Alliierten jetzt, womit sie es zu tun hatten. Es wurde mit schweren Angriffen gerechnet.
    »Sie müssen alles aufschreiben. Dies ist die vorderste Front der Geschichte.«
     
    Poe stand rangmäßig über Rittmeister von Richthofen. Er hatte Angst, dass dies den Flieger dazu bewegen könnte, sich ihm gegenüber gänzlich zu verschließen. Während der letzten Wochen war es ihm erstmals gelungen, dem Helden Gedanken und Gefühle zu entlocken. Nun

Weitere Kostenlose Bücher