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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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töten.
    Der Schwerpunkt des Tanks verlagerte sich über die Grabenböschung hinaus. Die Nase kippte nach vorn, drohte die Männer, die im Matsch umherkrochen, zu erdrücken. Die Ketten fraßen sich in die rückwärtige Wand, fanden mahlend Halt und zogen die Maschine in die Waagerechte. Nun konnte sie über den Graben hinwegrollen wie über einen Riss im Asphalt. Die Männer feuerten auf ihren eisengrauen Bauch, als sie den Schlammpfuhl überquerte.
    Kate ging in die Hocke wie ein Frosch, stieß sich mit all ihrer Vampirkraft vom Boden ab und sprang mit ausgefahrenen Klauen in die Höhe. Sie landete neben dem Panzer und streckte die Hand nach der laufenden Kette. Ein Zipfel ihres Mantels verfing sich
in den surrenden Rädern, und das Monstrum riss sie an sich. Sie würde zermalmt werden wie in einer Mühle, doch ihr zerschundener Körper würde dieses Ding zum Stillstand bringen. Was als Schlachtruf in ihrer Brust begonnen hatte, endete als Todesschrei.
     
    Poe hatte Theo heute Abend mit seinem Manuskript beehren wollen, doch die Ereignisse hatten sie überholt. Es begann damit, dass die Attila vom Schloss ablegte, das Signal zum Start der Offensive. Entlang der Linien rollten Panzer aus getarnten Stellungen, und Männer pflanzten Bajonette auf, um zum Angriff aufzubrechen. Die Mittelmächte stießen mit aller Kraft nach vorn und überrollten die Entente. Dies würde den Sieg bedeuten.
    Sie standen auf dem Turm und verfolgten die Vorbereitungen der Flieger auf die Schlacht, die ringsumher zu hören und in einiger Entfernung auch zu sehen war. Obgleich sie ihnen inzwischen fast vertraut vorkam, bot die Verwandlung der Flieger noch immer einen überwältigenden Anblick.
    Poe und Theo sahen zu, wie Richthofen die Gestalt wandelte. Der Tod seines Bruders hatte in ihm anscheinend weder Zorn noch Rührung wachgerufen. Sein Panzer, den Poe durch geschicktes Fragen ansatzweise aufgebrochen hatte, war wieder hermetisch verschlossen und ließ keinerlei Gemütsregung nach außen dringen.
    Richthofens ernstes Gesicht verschwand unter dichtem Fell. Poe hatte geglaubt, der Flieger habe sie gar nicht bemerkt, doch als Haarmann und Kürten beiseitetraten, verbeugte er sich vor seinem Biografen und schwang eine Flügelspitze wie ein Höfling seinen Umhang. Poe sagte Richthofen Lebewohl. Der Baron sprang, gefolgt von seinen Kameraden, vom Turm. Die Flieger umschwärmten die Attila.
    Theo sah zu, wie seine Kampfgenossen in der Nacht entschwanden. Seine Augen funkelten im Schatten seines Mützenschirms.

    »Es sieht so aus, als ob unsere Arbeit hier beendet wäre«, sagte er schließlich. »Ab morgen werden wir nicht mehr gebraucht.«
    Ten Brinckens Jünger hatten ihre Akten eingepackt und bereiteten sich auf den Rückzug vor. Karnstein war an die italienische Front versetzt worden. Und Schloss Adler wurde zum Hauptquartier des Grafen umgebaut. In dem Maße, wie das Schloss an militärischer Bedeutung gewann, verlor es an wissenschaftlichem Wert. Berichte wurden geschrieben und verschickt. Das Experiment war beendet.
    »Morgen werden sie den Krieg gewonnen haben, Theo.«
    Theo zuckte die Achseln. »Zu diesem Zweck hat Dracula sie schließlich erschaffen. Aber wie Manfred schon sagte: Es gibt kein ›nach dem Krieg‹. Sie sind Werkzeuge der Eroberung und nicht der Herrschaft.«
    »Eroberungen wird es immer geben.«
    »Mein lieber Eddy, für einen Mann von so bemerkenswerter Weitsicht sind Sie bisweilen erschreckend blind.«
    Poe war schockiert.
    Obwohl nicht nur das Bodenpersonal, sondern auch einige Wissenschaftler zurückgeblieben waren und Orlok durch die leeren Gänge schlich, wirkte das Schloss nun, da das JG1 verschwunden war, wie ausgestorben. Die Flieger umschwirrten die Attila wie Motten das Licht. Dank seiner scharfen Augen konnte Poe ihre winzigen Gestalten selbst im Labyrinth der Nacht deutlich erkennen.
    Im Schlusskapitel hatte er Richthofens Reaktion auf den Verlust seines Bruders beschrieben. Es war, als ob beide Richthofens den Tod gefunden hätten und er verflucht sei, weiter über Gottes Erdboden zu wandeln.
    »Armer Manfred«, sprach Theo Poes Gedanken aus. »Er ist trotz allem treu wie ein Hund.«
    »Ich gäbe viel darum, wenn ich bei ihnen sein könnte, Theo.«
    Theo sah ihn an und verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Da sich jetzt ohnehin niemand mehr um uns kümmert, können wir tun und lassen, was wir wollen. Unten steht eine Junkers J1 mit vollem Tank. Was halten Sie von einer kleinen

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