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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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verkündete Haig. »Wir werden diese verfluchten schwarzen Klötzchen im Handumdrehen von der Karte fegen.«

43
Der Untergang der Attila
    D ie Landschaft erstreckte sich unter der Sichtluke wie ein reich verzierter Teppich. Es gab keine klaren Linien mehr, nur noch wirre Muster aus Ameisen und Flammen. Die Offensive versprach ein glänzender Erfolg zu werden. Von der Front trafen in einem fort Funksprüche ein. Der Widerstand des Feindes schien erschöpft, Angriffsziele wurden zerstört, Befestigungen durchbrochen. Die Armeen des Kaiserreiches rückten unaufhaltsam vor.
    »Morgen bei Sonnenuntergang sind wir in Paris«, versprach Strasser seinem Oberbefehlshaber.
    Dracula schwieg.
    Die Attila setzte zum Sinkflug an. Nachdem ein Gutteil der feindlichen Geschützstellungen zerstört oder erobert war, konnte sich das Luftkriegsschiff bedenkenlos dem Boden nähern. Nach jeder Bestätigung befahl Strasser eine Verminderung der Flughöhe. Der Blick durch die Luke ließ immer neue Einzelheiten erkennen. Die wimmelnden Ameisen wurden zu Menschen, zu Lebewesen, die kämpften, litten, starben.
    Der Geruch des Krieges sickerte ins Gondelinnere, was bei Stalhein nicht ohne Wirkung blieb. Seine Nase stülpte sich zur Schnauze aus. Vampirhauer brachen durch sein Zahnfleisch. Ein dünner Flaum spross unter seinem Waffenrock. Seine Ohren wurden spitz wie die einer Fledermaus, und sofort konnte er besser hören.
    Stalheins Verwandlung jagte Strasser, einem Neugeborenen, einen fürchterlichen Schrecken ein. Stalhein kannte diese Sorte nur zu gut. Wie alle Luftschiffer hielt Strasser Flugzeuge für unerwünschte Gäste am Firmament. Zudem beunruhigte ihn der
Gedanke, dass es Menschen gab, die sich Flügel wachsen lassen konnten. Wie Graf von Dracula und Ingenieur Robur träumte er davon, als Herr der Welt in einer kugelsicheren Gashülle friedlich über der Erde zu schweben, riesige Löcher in die Wolken zu reißen und gelegentlich mit großer Geste die eine oder andere Bombe abzuwerfen. Kreaturen, die sich in geringerer Höhe tummelten und tollten, waren nichts weiter als lästige Insekten.
    Stalhein hatte dem Kapitän nur einen Moment lang in die Augen sehen müssen, um ihm sein Geheimnis zu entlocken. Wenn er die Gestalt gewandelt hatte, konnte er die Gedanken seines Gegenübers lesen. Er musste sich zusammenreißen, damit seine Wirbelsäule nicht hervorbrach. Wenn er sich vollständig verwandelt hätte, wäre er aus seiner Uniform geplatzt.
    Durch die Seitenluken sah Stalhein seine Kameraden vom JG1, die Ehrengarde des Dämonenfürsten. Sie fielen rings um die Attila in Formation. Brodelnde Furcht wallte gen Himmel. Für die Entente musste die Ankunft der Attila und ihrer Begleiter dem Jüngsten Gericht gleichkommen. Angesichts der Erhabenheit des Schauspiels würden sich viele der Sache Draculas anschließen. Und viele andere würden den Verstand verlieren.
    Sie hatten die Schützengräben hinter sich gelassen und schwebten nun über Gelände, das sich noch vor einer Stunde in Feindeshand befunden hatte. Die Attila war auf gleicher Höhe mit der ersten Welle vorrückender Panzer. Jedes Fleckchen Erde, auf das der Schatten des Luftkriegsschiffes fiel, gehörte Deutschland.
    Ein junger Steuermann salutierte schneidig und meldete die Sichtung gegnerischer Flugzeuge. Stalheins Blick wanderte von der Bodenluke zum Panoramafenster. Eine riesenhafte Fledermausgestalt schwebte vor dem Bug der Attila. In seiner rechtmäßigen Position an der Spitze des Verbandes regierte Baron von Richthofen die Lüfte wie ein Drache.
    Der Nachthimmel war feuerrot. Stalhein sah die feindlichen
Flugzeuge herannahen, winzige Punkte in der Finsternis. Geschwader Condor, die einzige gegnerische Staffel, die dem JG1 gefährlich werden konnte. Richthofen fieberte der Auseinandersetzung mit den Männern, die seinen Bruder auf dem Gewissen hatten, bereits seit Tagen entgegen.
    »Jetzt werden Sie sehen, dass dieses Luftschiff unbezwingbar ist«, sagte Ingenieur Robur und rieb sich die Hände. »Diese englischen Lords sind schön dumm, wenn sie glauben, uns besiegen zu können. Wir werden das Ungeziefer wie mit der Fliegenklatsche vom Himmel holen.«
    Dracula nickte gravitätisch.
    »Tiefer gehen«, befahl er. »Ich will mir die Schlacht aus der Nähe ansehen.«
     
    Winthrops Mund schmerzte und war voller Blut. Seine Zähne spalteten ihm fast den Kiefer. Der Vampir in ihm erwachte, färbte sein Gesichtsfeld rot. Er zerrte sich Brille und Kopfschutz herunter, riss

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