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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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Boche-Aufklärer hing. Wenn sie gemeinsam auf ihn losfuhren, bedeutete das seinen sicheren Tod. Aber vielleicht hatte es doch auch sein Gutes: zu sterben, statt mit dem Risiko zu leben, sich in ein noch übleres Monstrum zu verwandeln.
    Wilde Mordlust brannte in den Augen der Kreatur. Der Baron war drauf und dran, seine Bilanz mit Edwin Winthrops Tod zu krönen.
    Winthrop presste instinktiv die Daumen auf die MG-Knöpfe. Sein Zwillings-Lewis klickte, leer …

    Dennoch erlitt Richthofen einen Treffer nach dem anderen, als ob Winthrop mit Geisterkugeln auf ihn feuern würde. Von blutigen Einschusslöchern durchsiebt und verzweifelt mit den Flügeln schlagend, wirbelte der Baron durch die Luft.
    Winthrop traute seinen Augen nicht.
    Die Flugabwehr hatte Richthofen erwischt. Urplötzlich aus seinem Jagdfieber gerissen, wurde Winthrop klar, dass das Archie für ihn ebenso tödlich war wie für den Hunnen, und er zog die Camel steil nach oben, über den sterbenden Flieger hinweg. Während er sich in den Himmel schraubte, sah er Richthofen zitternd in der Luft stehen, wie von der geballten Wucht der Kugeln an ein unsichtbares Kreuz genagelt.
    Die gespreizten Schwingen hingen in Fetzen. Sein Körper schrumpfte, seine MGs wurden zu Bleigewichten. Die tote Kreatur stürzte mit verrenkten Gliedmaßen zur Erde und versank in einem Meer von Feuer und Finsternis.
    Schlagartig kam Winthrop zur Besinnung, und er fragte sich, was er unter fremdem Himmel verloren hatte.

46
Walhalla
    A ls sie wieder festen Boden unter den Rädern hatten, war Poe nicht mehr der Alte. Sein erster Flug war ein einziger Alptraum gewesen. Von allen irdischen Fesseln befreit, war er in einen Strudel des Chaos geschleudert worden, einen Mahlstrom des Schreckens, der seine Vision mit sich gerissen hatte.
    Die Attila war verloren, und eine mächtige Flammenwolke verschlang den Vater des europäischen Vampirismus. Baron von
Richthofen war tot, sein zerschossener Leichnam hatte sich noch in der Luft zurückverwandelt. Der rote Kampfflieger war unvollendet; er würde mit einem Nachruf anstelle eines Schlusskapitels erscheinen müssen. Die Offensive hatte die Front durchbrochen, doch um welchen Preis?
    Theo ließ das Flugzeug auf der kleinen Landebahn am Seeufer ausrollen. Der Schatten von Schloss Adler zeichnete sich drohend gegen den dunklen Himmel ab. Nirgendwo war Licht zu sehen. Das Schloss wirkte wie ausgestorben. Die Maschine kam ruckartig zum Stehen, und die Räder versanken in der grasbewachsenen Erde. Die plötzliche Ruhe, die Gelassenheit, die ihn mit einem Mal befiel, bereitete Poe Unbehagen. Sein Gesicht war mit einer Kruste aus getrockneten Tränen überzogen.
    Theo sprang aus seinem Cockpit, riss sich Fliegerhaube und Handschuhe herunter und warf sie achtlos fort.
    Was nun?
     
    Das Portal stand einen Spaltbreit offen. Als er eintrat, wusste Poe, dass Schloss Adler unbewohnt war. Noch bis vor kurzem war es von hektischer Betriebsamkeit erfüllt gewesen. Jetzt hallten seine Schritte klappernd durch die kahlen Räume. Die Stellung war verlassen.
    Theo schien nicht weiter erstaunt. »Orlok ist vermutlich auf dem Rückweg nach Berlin, um seinem Herrn und Meister Meldung zu erstatten. Dracula wird wissen wollen, ob seine Machenschaften zum Erfolg geführt haben.«
    »Dracula? Aber der kann unmöglich noch am Leben sein. Er ist mit der Attila untergangen!«
    Theo schüttelte verdrossen und angewidert den Kopf.
    »Das war ein Betrüger, einer von vielen armseligen Narren in Verkleidung, um die Entente zu übertölpeln. Er diente als Zielscheibe und hat seinen Zweck erfüllt. Der Feind war so damit beschäftigt,
ihn vom Himmel zu holen, dass er darüber glatt vergessen hat, sich für die Bodenoffensive zu rüsten.«
    »Und wer war er? Der Vampir an Bord der Attila?«
    »Ein ungarischer Schauspieler. Ein Leinwandheld aus Lugos. Ein direkter Nachkomme Draculas. Der darauf gedrillt war, als sein Doppelgänger zu fungieren. Und es gab noch mehr von seiner Sorte. Alles in allem ein gutes Dutzend.«
    »Aber … die Besatzung der Attila, das Luftschiff selbst?«
    »Nichts als Schall und Rauch, die Szenerie des grandiosen Schauspiels …«
    »Und wer steckt hinter diesem Komplott?«
    Theo wies auf ein großes, wenig künstlerisch, doch sehr martialisch wirkendes Porträt. Graf von Dracula neben dem Kaiser, in lamettastrotzender Paradeuniform, mit nadelspitzen Schnurrbartenden.
    »Die beiden.«
     
    Auch Hanns Heinz Ewers war zurückgeblieben. Jemand hatte sich die

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