Die Vampire
Aufenthalts aus dem Weg gehen, und Tom zog es sicher auch vor, sie nicht ständig um sich zu haben, aber Graf Kernassy war für einen der ganz Alten doch ziemlich nett. Und Marcello …
Malenka kam in einem neuen Kleid in die Bar geschritten und erregte großes Aufsehen.
Kate ging davon aus, dass sich die Via Veneto nicht so leicht von Malenka aus dem Häuschen bringen ließ. Hier versammelten sich allnächtlich die schönsten, berühmtesten, berüchtigtsten
und interessantesten Leute der Welt. Sie war sicher, Jean-Paul Sartre draußen vor dem Café de Paris erspäht zu haben, der sich unter dem Sonnensegel ganz klein machte, als Simone de Beauvoir Ernest Hemingway im Armdrücken bezwang. Audrey Hepburn und Mel Ferrer spazierten Arm in Arm vorbei, eine Horde andächtiger Gassenkinder im Schlepptau.
Aber Malenka eroberte sie alle.
Ihr Kleid aus dem Hause Massimo Morlacchi war ein Meisterwerk der Hochbautechnik. Mitternachtschwarzer Samt, tief ausgeschnitten, hoch geschlitzt, mit runden Fenstern an der Taille. Malenka gehörte zu den Vampiren, die nicht mehr atmeten. Jede Erweiterung ihres Brustkorbs hätte das Ensemble gesprengt. Um ihre breiten, weißen Schultern - sie besaß die riesigen Schultern einer Ringerin, wie Penny begeistert herausstellte - wand sich eine weiße Wendigopelzstola, als wäre noch ein Rest Leben in ihr.
Der Graf stellte seine Nichte zur Schau. Sie legte eine Hand auf seinen Arm. Ihr weißes Fleisch glühte, stellte den Ältesten restlos in den Schatten.
Kate und Penelope gingen in der unschlüssigen Begleitung von Marcello und Tom mehrere Schritte hinter der Hauptattraktion. Der getreue Klove war irgendwo in der Nähe für den Fall, dass es irgendwelche Passanten mit ihrer Aufmerksamkeit übertrieben.
Die Paparazzi waren die reinste Meute und schossen ein Foto nach dem anderen, ebenso aufdringlich wie unersättlich. Kate war sicher, auf einigen am Rand als verwischter Fleck aufzutauchen. Sie war nicht sonderlich fotogen.
Sie spazierten vom Rosati über das Strega und das Zeppa zum Doney und tranken jedes Mal etwas. Marcello blieb bei Espresso, aber Tom wechselte zu Amaretto. Penelope stachelte Kate charmant zu weiteren Vampircocktails an.
Sie wurde ziemlich betrunken. Vielleicht war ja etwas dran an diesen Geschichten über das feurige Blut italienischer Männer.
Sie ließ es zu, dass Marcello sie stützte, versteifte sich aber jedes Mal, wenn sie dachte, dass sie anhänglich oder tollpatschig wirkte.
Sie trank nichts mehr. Es fiel niemandem auf. Sie hätte heute Nacht eine Nonne mit dem Brotmesser massakrieren können, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre. Sie wurde in Malenkas Kielwasser mitgezogen.
Bei jedem Einkehren boten junge Männer Malenka den Hals an. Manche tätschelte sie, manche biss sie, manche trank sie fast leer. Sie musste randvoll mit Blut sein, und doch war sie immer noch so weiß wie Knochen und Eis. Kate bekam mit, dass ein junger Kerl in ihren Armen kalt wurde und beinahe starb, selig, ohne jede Klage.
Bei jedem Café und in den Straßen war Musik. Orchester, tragbare Plattenspieler, kleine Transistorradios. Summende, singende, stampfende, jubelnde Leute. Ein lästiges Lied war allgegenwärtig. Als Kate begriff, wie es hieß, war sie geistesgegenwärtig genug, entgeistert zu sein.
Malenka segelte auf dem Rhythmus dahin. Alle paar Sekunden blieb sie stehen und machte drei plötzliche Stöße mit den Hüften und den Ellbogen.
Cha-Cha-Cha …
»Es ist für die Hochzeit«, erklärte ihr Penelope. »Peinlich, wirklich. Prinzessin Asa kann es nicht ausstehen …«
Drac- u -la, Drac- u -la …
Dra! … Cha-Cha-Cha …
Malenka tanzte im Gehen. Reiche Müßiggänger, die angeblich nichts mehr beeindrucken konnte, blieben stehen und gafften. Berühmtheiten gestatteten sich vorübergehend, Nebenrollen in der Breitwand-Technicolor-Darbietung ihres Festzugs zu übernehmen. Der Fernsehautor Clare Quilty ignorierte die vorbeiziehende Sensation ostentativ und machte eine giftige Bemerkung
in Sachen Überentwickeltheit zu seiner ätherischen Vampirgefährtin Vivian Darkbloom. Der Schauspieler Edmond Purdom legte mehr Gefühlsausdruck und Begeisterung in sein Gesicht, als er auf der Leinwand je zustande gebracht hatte. Der polnische Werwolf Waldemar Daninski heulte und bellte wie der große böse Wolf in den Zeichentrickfilmen von Tex Avery.
Ebenso verblüfft wie bestürzt sah Kate zu Marcello. Ohne den Blick von Malenkas rotierendem Hinterteil abzuwenden, zuckte
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