Die Vampire
machen. Eine Hand packte sie im Nacken und zwang sie zum Zusehen. Sie hatte schon oft den richtigen Tod über Vampire kommen gesehen. Die meisten Ältesten starben wie Kernassy, verwandelten sich sofort in Staub und Knochen, holten Jahrhunderte des Alterns und Zerfallens binnen Sekunden nach.
Das aber, was mit Malenka geschah, hatte sie noch nie zuvor gesehen.
Wäre sie warmen Blutes alt geworden, hätte Malenka Fett angesetzt. In ihrem Körpertyp lag eine Reife, eine Bereitschaft anzuschwellen. Nun wölbten sich die Speckschichten unter Malenkas Haut, trieben ihr Gesicht auf, ihren Bauch, ihre Schenkel, ihren Körper, ihre Arme. Sie ging auf wie ein Ballon, platzte wie eine Wurst in kochendem Wasser. Weißes, von roten Adern durchzogenes Gewebe brodelte aus ihrer zerrissenen Haut. Ihr Kleid explodierte.
Malenka kochte über. Ihre Wangen erweiterten sich und mit
ihnen ihre Stirn, ihre Kinnlinie, ihre Kehle, sogar ihre Lippen. Ihre Augen starrten in Panik aus dem Grund ihrer Fleischquellen, voller Flehen. Kate quälten Schuldgefühle, dass sie dieser Frau so kleinliche Verachtung entgegengebracht hatte. Blut troff aus Malenka, zusammen mit Massen von Fettzellen. Ihre Hände waren gigantisch, das Fleisch hing ihnen von den Rücken und den Fingern.
Kate wurde festgehalten wie ein Kätzchen. Eine riesige Hand war in ihre kurzgeschnittenen Nackenhaare gekrallt. Sie sah nach unten. Der Umhang des Grafen trieb auf dem Wasser wie eine Spanne schwarzer Entengrütze. Münzen lagen auf dem Beckengrund wie verstreute Augen.
Sie stützte sich mit vergleichsweise winzigen Händen auf der niedrigen Steineinfassung ab.
Opernhaftes Gelächter brandete durch die Piazza di Trevi und zum Quirinal hinauf. Der Mörder schwelgte in triumphaler Heiterkeit. Das Rauschen des Brunnens war einen Moment lang nicht zu hören.
Sie wurde langsam nach vorn gedrückt. Ihre Ellbogen begannen in die falsche Richtung umzuknicken. Ihre dicken Brillengläser, die mit Tropfen bekleckert waren, rutschten ihr die Nase hinunter und machten alles noch verschwommener. Fangzähne schärften sich in ihrem Mund, eher ein instinktiver Verteidigungsmechanismus als eine Reaktion auf vergossenes Blut. Sie spürte nicht den Anflug von rotem Durst, nur Ekel und Verwirrung.
Der Mörder zwang gleichmäßig ihr Gesicht Richtung Wasser, als wolle er dieses Kätzchen ersäufen. Vielleicht nahm er an, dass sie einem Geblüt angehörte, das anfällig gegen fließendes Wasser oder, angesichts der nahen Kirche Santa Maria in Trivio, Weihwasser war. Wenn ja, dann täuschte er sich. Sie war nicht einmal katholisch: Wasser, das der Papst dreimal gesegnet hatte, machte sie einfach nur nass.
Kernassys fleischloser Schädel grinste aus einem der oberen Becken. Seine leeren Stiefel lagen zwischen Münzen. Fäden alten Blutes trieben im Wasser, ohne sich zu vermischen, das verderbte Blut derer von Dracula. Es wurde vom Becken abgesaugt und von den Düsen wieder ausgespuckt, stürzte herab wie toter Regen.
Mit dem Gesicht dicht über der Wasseroberfläche, benommen von dem Gestank des verdorbenen Blutes, konzentrierte Kate sich auf das sich kräuselnde Spiegelbild des Mörders: scharlachrote Kapuze, schwarze Dominomaske, tunnelgroße Nasenlöcher, Burt-Lancaster-Grinsen. Sein freier, extrem muskulöser Oberkörper glänzte von Öl.
Ihre Hände glitten vom Beckenrand und klatschten in kaltes Wasser. Sie wurde nach vorn gestoßen und krachte mit der Brust gegen Stein. Ihre Brille fiel herunter ins Wasser. Ohne Sehhilfe sah sie im bewegten Wasser einen dunklen Umriss. Ihr eigenes, selten erblicktes Spiegelbild. Es war nicht völlig verschwunden wie bei manchen Vampiren, auch nicht gestohlen worden wie Peter Pans Schatten. Aber seit ihrer Verwandlung war es schwer auszumachen. Nur unter außergewöhnlichen Umständen wie dem bevorstehenden richtigen Tod kehrte ihr Spiegelbild zurück.
Einen verrückten Moment lang war sie abgelenkt. So sah sie also mit kurzen Haaren aus. Nicht schlecht. Sehr modern, wie eine Art existenzialistische Jeanne d’Arc. Seit den zwanziger Jahren schon hatte sie Lust gehabt, sich das taillenlange rote Geschnür abzuschneiden. Erst jetzt, wo in Europa kurzgeschnittene Bubiköpfe in Mode waren, hatte sie es gewagt, ihre Friseuse zu bitten, die Silberschere zu schwingen.
Der Mörder, der lachte wie ein Dämon des Hohns, presste ihr ein Knie ins Kreuz, nagelte sie am Beckenrand fest. Er ließ ihren Nacken los. Sie griff nach hinten und tastete über sein
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