Die Vampire
muskulöses Bein. Er trug dicke Strumpfhosen.
Sie wurde von einem mexikanischen Ringer umgebracht. Das war so absurd, da fiel einem nichts mehr ein.
Er würde ihr noch die Rippen brechen, wenn er so weiterdrückte. Würde ihr ein gebrochener Knochen das Herz durchstoßen, wäre sie tot. Wieder einmal. Nur diesmal richtig.
Der Mörder war kein Vampir. Er konnte es an Kraft mit den meisten Ältesten aufnehmen, aber seine Hand war heiß, schweißig. Sie spürte den kräftigen Puls in seinem Schenkel. Er war warmblütig, lebendig.
Die Geräusche ihres Körpers waren deutlicher als das Tosen des Wassers. Blut pochte in ihren Ohren. Knochen krachten in ihrer Brust. Ihr gespiegeltes Gesicht, das nun sogar für ihre getrübten Augen scharf war, sah sie panisch an, hasenäugig. Sie sah sehr jung aus, wie das fünfundzwanzigjährige Naivchen, das sie 1888 gewesen war. Sie hatte große Schmerzen, was sie nicht gewohnt war.
Der Druck auf ihr Kreuz ließ etwas nach. Das Gelächter verstummte.
Kates erster Gedanke war nicht, sich zu retten, sondern zu verstehen - ein Grundinstinkt aller Journalisten. Sie fischte ihre Brille aus dem Wasser und setzte sie auf.
Sie konnte sich immer noch nicht aufrichten. Selbst als sie den Kopf so weit in den Nacken legte, wie es nur ging, vermochte sie nicht über das breite Becken hinwegzusehen. Auf der anderen Seite des Wassers spiegelte sich noch ein Gesicht.
Ein kleines Mädchen lugte über die Kante. In seinem kopfstehenden Gesicht schwamm ein Mund mit heruntergezogenen Mundwinkeln über einem traurigen Auge. Die Kleine hatte langes Haar, so blond wie Geneviève. Die Wellen ließen sie schimmern, als schüttele sie feierlich den Kopf. Eine Träne kroch ihr die hohle Wange hinauf.
Kate überlegte, wie man auf Italienisch bloß »Lauf weg« sagte.
»Va!«, versuchte sie zu rufen, aber es kam nur ein Japsen heraus.
Die Kleine rührte sich nicht. Sie war ein Geist im Wasser, hing fest in der Zeit.
Der Mörder nahm sein Knie von Kates Rücken. Sie versuchte, ihre Vampirfähigkeiten zusammenzunehmen. Krallen glitten leicht aus ihren Fingern. Ihre Zähne wurden Fänge. Stärke regte sich in ihren Gliedern.
Sie sprang auf, machte einen Satz auf den Beckenrand, fuhr herum und schlug ihre Krallen in … nichts.
Der Mörder war verschwunden, wie weggezaubert. Kate sah über die Piazza nach dem kleinen Mädchen. Sie hörte das schnelle Patschen seiner Füße, als es die Via della Muratte hinunterlief, und sah nur noch kurz seinen Schatten ins Riesenhafte vergrößert auf einer Wand. Das tosende Rauschen des Springbrunnens kehrte wieder zurück, erfüllte ihre Ohren.
Ihr Zornausbruch verflog, ihre Zähne und Krallen zogen sich zurück. Statt Kampfeszorn blieb nur Verwirrung zurück. Sie hatte eindeutig irgendetwas verpasst. Sie stand allein auf der Piazza di Trevi, neben den endgültig Toten.
Dann kam Marcello mit der Milch zurück. Er stellte die Flasche sanft auf das Pflaster und kam herüber zu ihr. Am Himmel dämmerte es. Kate hasste sich dafür, ein lebendes Klischee abzugeben, aber sie wurde in seinen Armen ohnmächtig.
2
Im Geheimdienst Ihrer Majestät
S ie schob seinen Rollstuhl auf den breiten Balkon und stellte ihn in den tiefen Schatten. Beauregard begrüßte die ihn einhüllende Dunkelheit, als wäre sie eine kuschelige Decke. In seinem Alter würde ihn direkte Sonneneinstrahlung schneller töten als Geneviève, und sie war eine Vampirin. Sie stellte seinen Tee in Reichweite. Grüner Gunpowder. Er ernährte sich praktisch davon.
Vom Schatten aus sah er ins graue Licht hinaus, hinunter in die Via Eudosiana. So früh am Morgen waren die feinen, fast schon parfümiert duftenden Dunstschleier noch nicht ganz weggebrannt. Heiß war es bereits; es kündigte sich ein Tag an, an dem man auf den Fliesen in der Sonne Fladenbrot backen konnte.
Ein schlanker, silbriger Aston Martin stand vor dem Wohnblock geparkt. Er zog das ehrfürchtige Interesse zweier Kinder auf sich. Beauregard schloss daraus, dass der zur Dämmerung erwartete Gast auf dem Weg nach oben war.
Er hörte, wie Geneviève zur Tür ging und seinen Besucher begrüßte. Es missfiel ihr, dass er dieses Gespräch zugesagt hatte.
Sie führte den Gast auf den Balkon und zog sich in die Wohnung zurück, um ostentativ aufzuräumen, wo es nichts aufzuräumen gab. Er verstand ihre Haltung, war aber ebenso sehr aus Neugierde wie aus Pflichtgefühl einverstanden gewesen, sich mit dem Besucher zu unterhalten.
Wenn man ihn um
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