Die Vampire
und John Huston, den Prokosch für eine Verfilmung von Ich bin Legende mit Charlton Heston gewinnen wollte. Geneviève kannte keinen der Filme, die der Produzent gemacht hatte. Sie handelten meist von Orgien, basierten aber auf klassischen, sprich, nicht durch Copyright geschützten Stoffen.
»Wenn man die Kosten für einen Kostümfilm niedrig halten will, lässt man die Kostüme am besten weg«, sagte Prokosch.
Collins gab sich alle Mühe, sie anzulächeln.
»Haben Sie je als Modell gearbeitet?«, fragte der Produzent.
»In letzter Zeit nicht mehr«, sagte sie.
Bis der Wagen am Palazzo Otranto vorfuhr, war es Nacht. Geneviève fühlte sich, als hätte ihr jemand mit einer zusammengerollten Ausgabe von Variety auf den Kopf geschlagen. Es kam zu einer Verzögerung bei der Flucht aus dem Daimler, weil die offiziellen Türöffner gerade versuchten, Orson Welles aus dem Wagen vor ihnen zu bekommen. Welles, bärtig und gewaltig, konnte nicht aufhören zu lachen, während er herumwackelte wie Pu der Bär, als er in Kaninchens Haus feststeckte. Schließlich hielt John Huston eine brennende Zigarre an Welles’ enormes Hinterteil, und das runde Genie schoss heraus wie eine Kugel aus einer Kanone.
Prokosch holte ein Skript unter seinem Kummerbund hervor
und eilte hinter Huston her. Geneviève drückte ihm die Daumen und stieg aus dem Daimler. Sie sah zum Palast hinauf. Sehr hübsch. Eher barock als gotisch. Spiralsäulen und wild wuchernder Efeu.
»Sieht aus wie eine riesige Zwiebel«, bemerkte sie zu niemand Bestimmtem.
Sie schloss sich dem Menschenstrom zu den hohen Toren hin an. Ein Kader von Kriegern mit pelzbesetzter Rüstung und Zähnen wie Cashewnüsse überprüfte die Einladungen und winkte die Gäste hinein. Paparazzi, die sich um die Tartaren sammelten, wurden davon abgehalten, im Weg zu sein. Zerschlagene Kameras lagen in der Auffahrt, auch der eine oder andere Fotograf. Geneviève sah, wie einer der lästigen Kerle gegen eine massive Steinmauer geworfen wurde.
Ihre Einladung hielt der Überprüfung stand, und ihr wurde der Zutritt gestattet. Sie schlenderte einen Korridor hinunter, der sich zu einem Ballsaal von der Größe einer Kathedrale hin öffnete. Ein ganz aus Mädchen bestehendes Orchester spielte Tanzmusik von Nino Rota, dirigiert von einem skelettdünnen Etwas, dessen Gesicht aus einer leeren Maske bestand. Auf zwei Hundert-Meter-Tischen war ein Büfett angerichtet, mit kalten Speisen und Salaten für die Warmblütigen und einer Auswahl lebender Tiere für die Untoten. Kellner und Kellnerinnen, kerngesunde Warmblütige, gingen mit nackten Hälsen und Handgelenken umher. In ihren Venen steckten bereits Zapfhähne. Geneviève ließ sich ein Glas Menschenblut geben und nippte daran.
Als sie sich im Saal umsah, erkannte sie zahlreiche Gäste: Prinzessin Margaret und Anthony Armstrong-Jones als Vertreter der Königin; John und Valerie Profumo als Vertreter Lord Ruthvens; Senator John Kennedy und Botschafterin Clare Boothe Luce als Vertreter der USA, wobei die beiden einander nicht ausstehen konnten; Carlo Ponti und Sophia Loren; Alberto Moravia, der
Schriftsteller; Gina Lollobrigida und General Mark Clark, der Befreier von Rom; Frank Sinatra und Dean Martin; Pier Paolo Pasolini, der Dichter; der Millionär Jonas Cord, der sein Geld mit Flugzeugen gemacht hatte; Rita Hayworth und der Aga Khan; Totò, der italienische Komiker; Moira Shearer und Ludovic Kennedy; Enrico Mattei, der Kopf des staatlichen Petroleumkonzerns; Palmiro Togliatti, der Führer der Kommunistischen Partei; mehrere Leinwand-Tarzans und der echte Lord Graystoke; Zé do Caixão, der brasilianische Bestattungsunternehmer für die Reichen und Berühmten; Magda Lupescu, eine Vampirin und einst berühmte Mätresse des Königs von Rumänien; Mrs. Honoria Cornelius und Colonel Maxim Pyat; Salvador Dalí, dessen lange, gerundete Fangzähne seinen berühmten Schnurrbart zu spiegeln schienen; Edgar Poe, der Drehbuchautor; Dr. Orlof, der umstrittene Schönheitschirurg; Yves Montand und Simone Signoret; Lemmy Caution, der amerikanische Abenteurer; Gore Vidal, dessen Werke sie bewunderte; Admintore Fanfani, ein gerade entthrontes hohes Tier in der Politik; Michael Corleone, der Olivenölbaron; Prinz Junio Valerio Borghese, ein ehemaliger Faschist mit Ambitionen; sowie, als möglichst unauffälliger Vertreter des Vatikans, Bischof Albino Luciani.
Und die Ältesten: der legendäre Saint-Germain; Karol Lavud, frisch aus Mexiko zurück; Armand, der
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