Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
Vom Netzwerk:
das erste Mal seit fünf Jahren sein, dass er sich im Westen blicken lässt.«
    »Das ist Johnny Yanks Sache. Außerdem ist das hier ein halber Urlaub. Otranto ist ein bisschen wie das Gefängnis in Spandau. Neutrales Territorium, auf dem sich alle Seiten tummeln. Als sie in Jalta das Croglin-Grange-Abkommen erneuert haben, war man sich einig, Dracula in Ruhe zu lassen, aber ein Auge auf ihn zu behalten. Der Palazzo wimmelt seit’44 von Spionen. Es sollte mich nicht wundern, wenn das hier alles Doppelagenten sind. Außer mir. Und Ihnen.«
    »Danke für das Kompliment.«
    »Keine Ursache. Sie sind einfach Sie.«
    Geneviève spürte einen kleinen Stich. Sie wusste, was er meinte. Wo Charles tot war, war sie niemandem mehr verpflichtet, nur noch ihrem eigenen Herzen.
    Er nippte an seinem blutigen Martini.
    Es war eine schmutzige Angelegenheit gewesen, ihn aus Brastows Versteck herauszubekommen. Sie war fast wieder zu einem Tier geworden, hatte sich durch die Leute von SMERSCH gepflügt, ohne auf umherschwirrende Kugeln zu achten, und Wände zum Einsturz gebracht. Sie hatte nicht vor, so etwas öfter zu tun. Es war immer wieder eine verstörende Erfahrung zu merken, wie leicht man nicht nur körperlich seine Gestalt veränderte, sondern geistig, den Intellekt windschlüpfrig machte, an das
bloße Überleben anpasste, und das Einfühlungsvermögen beiseiteschob.
    Diese Szene bei Charles mit Penelope und Kate war ein unschönes Nachspiel gewesen. Sie war noch nicht wieder ganz bei sich gewesen und hatte plötzlich mit einem Raum voller unberechenbarer Gefühle fertigwerden müssen.
    Bond schien vollständig darüber hinweg zu sein. Als sie ihn verlassen hatte, war er arg mitgenommen gewesen, aber anscheinend war er wie eine dieser Trickfilmfiguren, die im nächsten Moment wieder heil waren. Schwupp, legte er seine schnieke Weltmannsrüstung wie diesen Smoking von der Savile Row wieder an und war bereit, die nächste bedeutungslose Schlacht zu schlagen und die gesichtslosen Horden abzuwehren, die sie beharrlich als verflixte lästige Einzelwesen wahrnahm.
    Penelope marschierte an ihnen vorbei und belehrte eindringlich einen warmblütigen jungen Mann, der ganz bleich war.
    »Diesem Burschen bin ich nach unserem Abschied über den Weg gelaufen.« Bond nickte zu Penelopes Begleiter hin. »Der amerikanische Freund unserer Gastgeberin. Tom Soundso. Irgendetwas stimmt nicht mit ihm. Nein, mehr als das. Ihm fehlt etwas.«
    »Wie uns allen«, sagte sie.
    »Sie sind bedrückt heute Abend.«
    »Der Mann, den ich seit 1888 geliebt habe, ist diese Woche gestorben. Das ist schon geeignet, einem den Wind aus den Segeln zu nehmen.«
    Bond machte aus Höflichkeit ein betroffenes Gesicht. Er konnte sich nicht vorstellen, dass jemand den Tod ernst nahm. Für ihn gehörte er zum Alltag. Charles hatte es nie zugelassen, so zu werden. Der Rückzug hinter gefühllose Ironie war nicht einmal typisch Vampir; es war typisch zwanzigstes Jahrhundert.
    Unvermittelt empfand sie nichts als Mitleid für den Spion.

    »Sie werden sich auch einmal verlieben. Und sie wird sterben.«
    Bond versuchte die Schultern zu zucken, erstarrte aber. Da wusste sie, dass sie richtig lag. Es war ihm schon einmal passiert, und es würde wieder geschehen.
    »Es tut mir leid«, sagte sie. »Das war grundlos grausam. Sie haben Recht. Das ist ein halber Urlaub hier. Wir haben uns alle feingemacht und Ausgang bekommen. Dies ist eine Nacht für Heucheleien, nicht für unbequeme Aufrichtigkeiten.«
    Er sah sie an.
    »Sie sind eine bemerkenswert schöne Frau, Geneviève.«
    Sie lachte darüber, war aber doch geschmeichelt.
    »Vorhin hat mich ein Filmproduzent gefragt, ob ich als Modell arbeiten würde.«
    »Das könnten Sie nicht. Ihr Gesicht hat zu viel Charakter.«
    »Wahrscheinlich eher zu viel Überbiss.« Sie klackte mit den scharfen Zähnen.

20
Schloss des Blutes
    D urch die Tore des Palazzo Otranto zu treten war wie der Schritt in ein Drachenmaul. Kate spürte, wie die Naturgesetze sich verzerrten. So war das beim König.
    Marcello bemerkte ihr Zögern. Sie hielten den Verkehr auf. Draußen vor den Toren baute sich Druck auf wie das Moussieren hinter einem Champagnerkorken.
    Sie ploppten.
    Gäste strömten in die Korridore des Palastes, ein Pulsieren in
organartigen Kammern, ein Pochen in Richtung Herz. Der gewölbte Ballsaal war riesig. Und voll.
    Der rote Durst hielt Kate in seinem Griff. Alle hier, ob lebendig oder tot, waren Beutel voller Blut. Sie war längst

Weitere Kostenlose Bücher