Die Vampire
Monstrum hatten Bram Stokers Dracula (1897) und das Schlusskapitel von Lytton Stracheys Eminent Victorians (1918) geprägt. Dieses traditionelle Porträt wurde durch korrigierende, einfühlsame Biografien wie Montague Summers’ Dracula: His Kith and Kin (1928) und Colin Wilsons The Impaler (1957) differenziert, wohingegen Alan Clarks The Monsters (1958) und Asa Briggs’ The Age of Impalement: 1885-1918 (1959) die herkömmliche Einschätzung überzeugend bestätigten.
Daniel Farsons kontrovers diskutiertes Vlad the Imposter (1959) entwickelt die Theorie, dass es sich bei dem Vampir Graf Dracula gar nicht um den einstigen Vlad Tepes handelt, sondern um einen Transsylvanier, der sich dessen Namen und Titel nur angeeignet habe und dessen Identität bis heute nicht zweifelsfrei festgestellt werden könne. Farson führt zahlreiche Widersprüche zwischen Draculas Darstellungen und den gesicherten Tatsachen über Vlads Leben an, aber mit Draculas
Tod ist es unwahrscheinlich geworden, dass diese Frage je abschließend geklärt werden kann. Im Tod wie im Leben hat der Prinz keine Mühe gescheut, seine Aura des Geheimnisvollen zu bewahren.
In Rom ist im Zusammenhang mit dem Mord eine Person festgenommen worden, die aber bisher weder dem Haftrichter vorgeführt noch als unter Tatverdacht stehend bezeichnet wurde. Polizeipräsident Francesco Polito hat erklärt, dass sämtliche Anstrengungen zur Ergreifung des Mörders unternommen würden. Es wird spekuliert, dass die Vernichtung des berühmtesten aller Ältesten die letzte einer Folge von Gräueltaten darstellt, die von einem Vampirmörder mit dem schillernden Namen »Der scharlachrote Henker« verübt wurden. Im Buckingham-Palast treffen unterdessen stündlich Kränze mit traditionellen schwarzen Blumen ein, sehr zur Verlegenheit des königlichen Haushalts, der es vielleicht vorgezogen hätte, nicht daran erinnert zu werden, dass Dracula einmal Prinzgemahl gewesen ist. Was aus dem Grundbesitz und den Vermögenswerten wird, ist noch offen; augenscheinlich hat der Graf, nachdem er fünfhundert Jahre lang dem Tod getrotzt hat, nie ein Testament aufgesetzt. Der Leichnam befindet sich im Gewahrsam der römischen Polizei, allerdings wächst der Druck, ihn für die Beerdigung freizugeben. Nicolae Ceauşescu, der rumänische Staatspräsident, lehnte es ab, die Genehmigung für eine Rückführung der Überreste in ihr ursprüngliches Grab auf der Klosterinsel von Snagov zu erteilen, und Premierminister Lord Ruthven hat erklärt, eine Grabstelle in Westminster Abbey komme »leider nicht infrage«.
Lesen Sie auch in unserer Wochenendbeilage:
Dracula, wie ich ihn kannte von Premierminister Lord Ruthven
Das Ende einer Ära: Das Ableben des Ersten unter den Vampiren von Dennis Wheatley
Unaufgeklärte Verbrechen: Die fünfhundertjährige Karriere des Vlad Tepes von Catriona Kaye
Dracula: Staatsmann, General, Held von Enoch Powell
Ist Dracula wirklich tot? von R. Chetwynd-Hayes … ein Glück, dass wir den los sind! von John Osborne
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Cadaveri Eccelenti
I hre Zelle lag unterirdisch, wie Draculas Gruft. Kate nahm an, dass Silvestri damit ihre Erinnerung an die Bluttat befördern wollte. Die Strategie ging nicht auf. Sie erinnerte sich an das entsetzliche Grinsen des kleinen Teufelsmädchens und wusste noch, dass Geneviève sie aus einer Blutlache gezogen hatte, aber alles dazwischen war roter Nebel. Sie versuchte und versuchte es, aber ein höllischer Kater löschte ihr Gedächtnis aus.
Sie war mehrmals befragt worden. Irgendjemand hatte sich wohl an die irische Botschaft gewandt. Die meiste Zeit über ließ man sie in Ruhe, allerdings mit der Aufforderung, scharf nachzudenken.
Vorläufig war sie eine Zeugin. Keine Verdächtige.
Als man ihr erzählt hatte, dass Dracula tot sei, war sie spontan in unschönen, schadenfrohen Jubel ausgebrochen. Das hatte keinen guten Eindruck gemacht, zumal sie immer noch mit dem gerinnenden Blut des Verstorbenen besudelt gewesen war. Selbst jetzt klebten ihr noch die letzten Krusten in den Haaren und unter den Nägeln.
Sie wusste nicht einmal selbst, ob sie schuldig war oder nicht.
Objektiv gesehen entsprach sie dem Typus des Attentäters: idealistisch, leidenschaftlich, frustriert, zu Gefühlsausbrüchen neigend, fähig zu Gewalthandlungen. In der Nacht der Ermordung
waren Hunderte Hochzeitsgäste Zeuge geworden, wie sie sich betrunken mit der Verlobten des Toten geprügelt hatte. Sie befand sich seit langer Zeit in Feindschaft mit dem
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