Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
Vom Netzwerk:
Füßen wegen der Kälte, die Kostaki schon seit Jahrhunderten nicht mehr verspürte. Vor lauter Ungeduld strömte ihm der Dampf aus Mund und Nase.
    »Heil dir, Engländer«, sagte Kostaki und legte salutierend die Hand an seinen Fez.
    »Schotte, wenn’s beliebt«, erwiderte der Inspektor.
    »Ich bitte um Vergebung.« Als moldauischer Überlebender der Wirren des Osmanischen Reiches, das nun Österreich-Ungarn
hieß, wusste Kostaki um die Bedeutung der Unterschiede zwischen kleineren Staaten.
    In seiner Eigenschaft als Hauptmann der Karpatischen Garde war Kostaki gleichsam eine Kreuzung aus Verbindungsoffizier und Aufseher. Wenn er entsprechende Weisungen aus dem Palast erhielt, nahm er Interesse an polizeilichen Belangen. Die Königin und ihr Prinzgemahl bekümmerten sich sehr um Recht und Ordnung. Vergangene Woche erst war Kostaki in Whitechapel umhergewandert, auf den Spuren jenes schurkischen Barbaren, der als Silver Knife bekannt war. Nun half er bei der Razzia auf eine berüchtigte Adresse.
    Sie reihten sich links und rechts des Wagens auf; Mackenzies Männer, vorwiegend Neugeborene, und ein Detachement der Karpatischen Garde. Heute Nacht würden sie beweisen, dass es sich bei den weithin verbreiteten Erlassen Draculas keineswegs um des Spaßes halber auf Pergament gebannte Grillen handelte.
    Als Mackenzie ihm die Pranke schüttelte, enthielt sich Kostaki wohlweislich des eisernen Händedrucks eines nosferatu.
    »Wir haben alle Ausgänge mit Beamten in Zivil besetzt«, erklärte der Inspektor, »das Haus ist also umstellt. Wir gehen durch die Vordertür hinein, durchsuchen es von oben bis unten und versammeln die Gefangenen auf der Straße. Den Vollziehungsbefehl habe ich bei mir.«
    Kostaki nickte. »Kein schlechter Plan, Schotte.«
    Wie so viele Bewohner dieses trostlosen Landes besaß Mackenzie keinen Funken von Humor. Ohne eine Miene zu verziehen, fuhr er fort: »Ich bezweifle, dass wir auf allzu großen Widerstand treffen werden. Diese Invertierten haben nicht den Schneid, sich gegen uns zu stellen. Der gemeine englische Wackelpopo ist für seine Mannhaftigkeit nicht eben berühmt.«
    Von Klatka spuckte Blut in die Gosse und schnaubte: »Entarteter
Abschaum!« Seine Wölfe Berserker und Albert gierten danach, ihre Zähne in ein saftiges Stück Fleisch zu schlagen.
    »Wohl wahr«, pflichtete der Polizeibeamte bei. »Also bringen wir die Sache hinter uns.«
    Sie gingen zu Fuß voran, der Wagen folgte. Der übrige Verkehr machte ihnen Platz. Sowie sie auftauchten, beeilten sich die Leute, die Straße zu räumen. Kostaki war voller Stolz. Der Ruf der Karpatischen Garde eilte ihnen voraus.
    Noch vor wenigen Jahren war er nichts weiter gewesen als ein untoter Zigeuner, der Europa alle Jahrhunderte durchstreifte, sich mästete, wann immer ihm Beute in die Fänge geriet, mit jedem Menschenalter in sein Schloss zurückkehrte, um es in noch kläglicherem Zustand vorzufinden, und auf alle Zeit verurteilt schien, als weitläufiger Abkömmling zu figurieren. Heute konnte er unbehelligt eine Londoner Hauptstraße hinuntergehen, ohne sich verstellen zu müssen. Und Fürst Dracula sei Dank wurde sein roter Durst regelmäßig gestillt.
    Sie marschierten in die Cleveland Street, und Mackenzie hielt Ausschau nach Haus Nummer 19. Das Gebäude unterschied sich kaum von den umstehenden, die respektable Familien und die Kanzleien alteingesessener Sachwalter beherbergten. Im Gegensatz zum East End war dies ein sauberer, hell erleuchteter Bezirk. Einen Moment lang stutzte Kostaki über die eigentümlich windschiefen Drahtgebilde auf den Dächern, die er aus den Augenwinkeln erblickte, verwarf den Gedanken daran jedoch sogleich wieder.
    Von Klatka zog klirrend sein Schwert aus der Scheide. Kostakis Kamerad war ein unermüdlicher Kriegsmann, jederzeit zum Kampf bereit. Es war ein Wunder, dass er die Jahrhunderte, die seit seinem Tod vergangen waren, überdauert hatte. Mackenzie trat beiseite und ließ Kostaki zur Eingangstür marschieren. Der hob eine mit Stulphandschuh versehene Pranke und ergriff
den Klopfer, der in seiner Faust entzweiging. Gorcha, der törichte Korporal, kicherte hinter seinem Schnurrbart, und Kostaki schleuderte das zerbrechliche Spielzeug in die Gosse. Mackenzie hielt den Atem an, der Dampf rings um ihn her zerstob. Kostaki ersuchte mit einem Blick um seine Billigung: Der Polizist war mit diesen Leuten, dieser Stadt vertraut und verdiente es demnach, mit Respekt behandelt zu werden. Auf das Nicken des

Weitere Kostenlose Bücher