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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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Pferd zur Ader ließ, doch heutzutage ist er ein wahrer Held. Das wird in diesem Falle nicht geschehen. Wenn Silver Knife auf seinen Pfahl gehievt wird, will ich einen toten Irren und keine unausrottbare Legende.«
    Godalming hatte verstanden.
    »Warren und die anderen möchten Silver Knife allein auf dieses Jahr hinaus unschädlich machen. Ich hingegen wünsche ihn auf alle Zeit vernichtet.«

20
    New Grub Street
    D er September neigte sich dem Ende zu. Es war der Morgen des 28. Seit Lulu Schön, am 17. des Monats, hatte Silver Knife nicht mehr gemordet. Whitechapel war indes so sehr von Polizisten und Reportern übervölkert, dass der Schlächter von Scheu befallen sein mochte. Es sei denn, wie manche spekulierten, er war entweder Polizist oder Reporter.
    Die Sonne stand am Himmel, und die Straßen waren wie leergefegt. Der Nebel hatte sich einstweilen gelichtet und gewährte ihm einen kalten, klaren Blick auf jenen Ort, der ihm zum zweiten Zuhause geworden war. Beauregard musste gestehen, dass
er kaum einen Pfifferling dafür gegeben hätte, weder tags noch nachts. Wieder lag eine fruchtlose Schicht in Begleitung zum Groll gereizter Kriminalbeamter hinter ihm, und er war zum Umfallen müde. Wollte man Fachleuten Glauben schenken, so war die heiße Spur recht bald erkaltet. Womöglich war der Mörder seinem eigenen Wahn erlegen und hatte das Messer gegen sich selbst gerichtet. Oder er befand sich mit dem Dampfschiff auf dem Weg nach Amerika oder Australien. Nicht mehr lange, und die ganze Welt würde nachgerade wimmeln von Vampiren.
    »Vielleicht hat er ja einfach aufgehört«, hatte Sergeant Thick zu bedenken gegeben. »So was kommt vor. Und nun lacht er sich jedes Mal ins Fäustchen, wenn er irgendwo einen Gendarm stehen sieht. Vielleicht hat ihm das Messer kein rechtes Vergnügen mehr bereitet, vielleicht will er sein Geheimnis ganz für sich bewahren.«
    Das schien Beauregard wenig plausibel. Den Obduktionen nach zu urteilen, bereitete es Silver Knife durchaus Vergnügen, Vampirfrauen zu verstümmeln. Wenngleich er seine Opfer nicht nach herkömmlicher Manier geschändet hatte, so handelte es sich dennoch um Verbrechen eindeutig geschlechtlicher Natur. Dr. Phillips, der Polizeiarzt von Abteilung H, neigte insgeheim zu der Vermutung, dass der Mörder am Ort seines Verbrechens die Sünde Onans praktiziere. Im Zusammenhang mit diesem Fall gab es nur wenig, was einem schicklichen Charakter nicht ausgesprochen ekelhaft erschienen wäre.
    »Mr. Beauregard.« Eine Frauenstimme riss ihn aus seinen Gedanken. »Charles?«
    Eine junge Person mit schwarzem Hut und Rauchglasbrille schritt quer über die Straße zu ihm hin. Obgleich es nicht regnete, reckte sie einen schwarzen Schirm, um sich zu beschatten. Ein Windstoß erfasste ihn, er kippte zur Seite, und die Sonne fiel auf ihr Gesicht.

    »Nanu, Miss Reed!«, rief Beauregard verwundert aus. »Kate?«
    Das Mädchen lächelte geschmeichelt.
    »Was führt Sie in diese abscheuliche Gegend?«
    »Der Journalismus, Charles. Wissen Sie nicht mehr? Ich schreibe.«
    »Aber natürlich. Ihr Aufsatz über die Folgen des Streiks der Zündholzverkäuferinnen in ›Aus dem Nähkästchen‹ war beispielhaft. Radikal, wohlgemerkt, doch von außerordentlicher Vollendung.«
    »Dies ist wahrscheinlich das erste und einzige Mal, dass ich die Worte ›von außerordentlicher Vollendung‹ im Zusammenhang mit meiner Wenigkeit zu hören bekommen werde. Dennoch danke ich Ihnen für das Kompliment.«
    »Sie unterschätzen sich, Miss Reed.«
    »Mag sein«, entgegnete sie nachdenklich, ehe sie auf ihre eigentliche Angelegenheit zu sprechen kam. »Ich bin auf der Suche nach meinem Onkel Diarmid. Sind Sie ihm vielleicht begegnet?«
    Soviel Beauregard wusste, war Kates Onkel einer der führenden Köpfe der Central News Agency. Bei der Polizei genoss er hohes Ansehen, da man ihn für einen der wenigen gewissenhaften Journalisten hielt, die das weite Feld des Verbrechens beackerten.
    »In letzter Zeit nicht. Ist er hier? Einer Geschichte wegen?«
    »Der Geschichte wegen. Silver Knife.«
    Kate war unruhig und nervös; sie hielt eine männlich anmutende Dokumentenmappe umklammert, deren Wert dem eines Totems gleichzukommen schien. Ihr Schirm war so groß, dass sie ihn kaum zu bändigen vermochte.
    »Sie sehen so verändert aus, Miss Reed. Haben Sie etwas mit Ihrem Haar angestellt?«
    »Nein, Mr. Beauregard.«
    »Merkwürdig. Ich hätte schwören können …«

    »Vielleicht haben wir uns seit meiner

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