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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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gemacht.«
    Beauregard hustete, um Reeds Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, aus Furcht, dass dieser sich vor seiner Nichte in Verlegenheit bringen könnte. Reed blickte auf und grinste.
    »Katie«, sagte er ohne den geringsten Anflug von Bedauern angesichts seiner unschicklichen Metapher. »Setz dich her und trink ein Tässchen Tee mit mir. Und Beauregard, nicht wahr? Wo haben Sie meine nachtschwärmerische Nichte nur gefunden? Doch wohl hoffentlich in keinem der Bordelle dieser Gegend. Ihre arme
Mutter meinte immer schon, sie werde unsere Familie noch einmal ins Verderben stürzen.«
    »Onkel, es ist wichtig.«
    Er bedachte sie mit einem liebevollen, wenngleich zweifelnden Blick. »Ebenso wichtig wie deine Geschichte über das Frauenwahlrecht?«
    »Onkel, selbst wenn du mit meinen Ansichten in dieser Frage nicht übereinstimmst, wirst du doch zugestehen müssen, dass es sehr wohl eine Nachricht ist, wenn Massen von Menschen, unter ihnen die größten und klügsten im Lande, für ebendiese Ansichten auf die Straße gehen. Insbesondere wenn der Premierminister sich ihrer nicht anders zu erwehren weiß als durch den Einsatz seiner Karpater.«
    »Lass hören, Mädchen«, sagte der Mann mit dem Strohhut.
    Kate reichte Beauregard den Schirm und öffnete die Schnalle ihrer Dokumentenmappe. Sie legte ein Papier auf den mit Teetassen und Aschbechern übersäten Tisch.
    »Das ist gestern angekommen. Wohlgemerkt, du selbst hast mich dazu verdonnert, die Post zu öffnen.«
    Reed studierte das Papier eingehend. Es war mit einer spinnenartigen roten Handschrift bedeckt.
    »Hast du das schnurstracks zu mir gebracht?«
    »Ich habe dich die ganze Nacht gesucht.«
    »Braver kleiner Vampir«, sagte ein Neugeborener mit gestreiftem Hemd und gewichsten Schnurrbartspitzen.
    »Halten Sie die Klappe, D’Onston«, sagte Reed. »Meine Nichte trinkt nicht Blut, sondern Druckerschwärze. Sie hat Nachrichten in den Adern, wo bei Ihnen warmes Wasser fließt.«
    »Gibt’s was Neues?«, unterbrach LeQueux sein Telefongespräch.
    Reed ließ die Frage unbeantwortet. Er suchte in seinem Rock nach einem Penny und zitierte einen der Buben zu sich.

    »Ned, geh zur Polizeiwache und suche jemanden über dem Rang eines Sergeants. Du weißt schon.«
    Das scharfsichtige Kind setzte eine Miene auf, als sei es bestens im Bilde, was die unendliche Vielfalt und die Gewohnheiten von Polizisten anbetraf.
    »Sag ihm, die Central News Agency habe einen Brief erhalten, der anscheinend von Silver Knife persönlich stammt. Halte dich genau an meine Worte.«
    »Anschneidend?«
    »Anscheinend.«
    Der barfüßige Merkur fischte den aufschnellenden Penny aus der Luft und jagte davon.
    »Ich sage euch«, begann Reed, »Knaben wie Ned gehört die Welt von morgen. Das zwanzigste Jahrhundert wird unsere wildesten Fantasien noch übersteigen.«
    Niemand wollte jetzt Gesellschaftstheorien lauschen. Alle wollten nur den Brief sehen.
    »Vorsicht«, mahnte Beauregard. »Ich vermute, dies ist ein Beweisstück.«
    »Gut gebrüllt, Löwe. Also, zurück mit euch, Jungens, macht mir ein wenig Platz.«
    Reed hielt den Brief mit spitzen Fingern und las ihn ein zweites Mal.
    »Eines ist sicher«, sagte er, als er geendet hatte. »Mit Silver Knife ist es vorbei.«
    »Was?«, rief LeQueux.
    »›Es wird wohl recht sein, wenn ich Ihnen meinen Künstlernamen nenne‹, heißt es im Postskriptum.«
    »Künstlername?«, fragte D’Onston.
    »›Jack the Ripper‹. Die Unterschrift lautet: ›Ganz der Ihrige, Jack the Ripper‹.«
    D’Onston sagte den Namen halblaut vor sich hin, ließ ihn sich
auf der Zunge zergehen. Andere fielen in den Chor mit ein. The Ripper, Jack the Ripper. Jack. The Ripper. Ein Schauer erfasste Beauregard.
    Kate war’s zufrieden und blickte bescheiden auf ihre Stiefelspitzen.
    »Beauregard, hätten Sie wohl die Güte?«
    Reed reichte ihm den Brief, was den konkurrierenden Zeitungsschreibern ein neidisches Brummen entlockte.
    »Lesen Sie vor«, meinte der Amerikaner. In einem kleinen Anfall von Selbstgewissheit bemühte sich Beauregard, den Brief regelrecht vorzutragen.
    »›Werter Meister‹«, begann er. »Die Handschrift ist flüchtig und spitz, deutet jedoch auf einen gebildeten Menschen hin, der das Schreiben gewohnt ist.«
    »Schluss mit dem Redakteursgeplänkel«, meinte LeQueux, »geradeheraus damit.«
    »›Ich höre dauernd, die Polypen haben mich geschnappt, aber so leicht mach ichs‹ - ohne Apostroph - ›so leicht mach ichs denen nicht. Ich hab gelacht,

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