Die Vampirjaegerin
sie war blind geboren.
Jeshickah wollte sie eigentlich töten.« Er lächelte ein wenig bei dem Gedanken daran. »Sie gehorchte perfekt, was nicht weiter verwunderlich war, denn sie war als Sklavin in Midnight aufgewachsen. Erst nachdem Midnight abgebrannt war, stellte ich plötzlich fest, dass ich sie nie geschlagen hatte. Es war nie nötig gewesen.«
Er seufzte und blickte abwesend drein. »Mit den Jahren stellte ich fest, dass ich sie nicht besitzen wollte. Ich wollte sie kennenlernen. Ich war gern in ihrer Gesellschaft, besonders nachdem sie den Mut gefunden hatte, offen mit mir zu reden. Sie vertraute mir grenzenlos, und ich hütete mich, dieses Vertrauen zu gefährden. Ich kannte Leute, die mich fürchteten, hassten oder beneideten ...« Er schüttelte den Kopf. »Vertrauen war etwas Neues für mich und es war kostbar. Ich habe lange gebraucht, um herauszufinden, womit ich es verdient hatte.«
»Und als Sie es wussten?«, fragte Turquoise gespannt.
»Ich stellte fest, dass ich sie nicht als Sklavin betrachtete und sie seit dem Untergang von Midnight auch nie so behandelt hatte. Man kann nicht das Vertrauen oder die Loyalität einer Sklavin erringen, höchstens ihren Gehorsam.
Aber blinder Gehorsam eignet sich nun mal nicht für interessante Gespräche oder Gesellschaft. Ich ziehe die Gegenwart eines Gleichgestellten, der sich mir widersetzt, der eines gehorsamen Sklaven vor.« Jaguar zuckte mit den Schultern.
»Ich würde lügen, wenn ich sagte, dass ich die Herausforderung immer schätze.
Die Beziehungen zwischen einem Sklaven und seinem Meister sind immer eindeutig, einfach, und manchmal ist man versucht, in die alte Rolle zurückzuschlüpfen und von jemandem, der nicht tut, was man will, Gehorsam zu verlangen.«
»Wie zum Beispiel?«, fragte Turquoise und dachte daran, wie leicht er Daryl davongejagt hatte. Sie fragte sich, ob das einer der Augenblicke gewesen war, in denen er der Versuchung erlag, oder einfach nur eine weise Entscheidung.
Jaguar lachte leise und wehrte die Frage ab. »Darauf willst du nicht wirklich eine Antwort hören.«
Sie runzelte die Brauen und fragte sich, ob er sie oder sich selber auslachte.
»Wir sollten hinausgehen«, forderte er sie auf. »Ich muss Jeshickah finden, bevor sie meine Leute verletzt. Der Hof ist der einzige Ort in diesem Haus, wohin Daryl nicht kommt.«
Nachdenklich geleitete er sie in den Hof. Dunkle Wolken verdeckten Mond und Sterne.
Turquoise kam die Dunkelheit gelegen, sie entsprach ihrer Stimmung.
Sie erschrak, als Jaguar sie an den Schultern griff und in einer impulsiven Umarmung an sich zog. Er küsste sie aufs Haar.
»Ich weiß, dass du verschwinden wirst, sobald ich dir den Rücken kehre«, sagte er. Er hielt sie locker genug, dass sie wusste, sie würde sich von ihm lösen können, wenn sie wollte. Sie widersprach nicht; das war sinnlos.
»Ich habe dabei nur eine Bitte.« Er wies mit dem Kinn zu der Nische, in der er tagsüber gerne schlief, und Turquoise konnte im Dunkeln nur mit Mühe Eric erkennen. Der Junge beobachtete sie wachsam, als glaube er, es sei besser zu gehen, wollte es aber nicht.
»Nimmst du ihn mit?«
»Was?«
Eric wäre eine lästige Verpflichtung. Wenn sie ihn schützen musste, würde es schwieriger, sich derjenigen zu erwehren, die sich ihr auf ihrem Weg nach draußen vielleicht in den Weg stellten. Er würde ihre Flucht verlangsamen. Es sei denn, Jaguar half ihr ...
Aber nein, er konnte ihr zwar die Gelegenheit zur Flucht verschaffen, aber er konnte es sich nicht leisten, ihr zu helfen.
Jaguar schien ihre Gedanken zu lesen. »In ein paar Wochen wird Jeshickah ...
aus dem Weg sein. Doch bis dahin wird sie nicht untätig bleiben. Ich bezweifle jedoch, dass sie mich töten wird.«
Ist das nicht beruhigend?, dachte Turquoise.
Jaguar fuhr fort: »Aber sie wird nicht zögern, mich zu verletzen oder sich dazu an meinem Besitz zu vergreifen. Sie weiß, dass ich dich mag, aber du kannst dich
gegen sie wehren. Eric ...« Er schüttelte den Kopf. »Er ist zäh, aber er ist ein Kind.
Ich könnte ihn gegen fast jeden anderen verteidigen, aber Jeshickah könnte ihn vernichten, und sie wird es tun, denn sie weiß, dass ich ihn retten möchte.«
Was um alle Welt sollte Turquoise mit einem Kind anfangen, wenn sie draußen war? Für Eric gab es keinen Platz bei Bruja – er war ein Opfer, kein Kämpfer.
Turquoise kannte nichts anderes als Bruja. Diesen Jungen mitzubringen, konnte ihre Pläne gründlich
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