Die Verbannung
was er über das Schottland der Zukunft wusste. »Es gibt einen besseren Weg.«
Sinann lachte. »Weise Worte aus dem Mund eines Mannes, der gerade sein erstes Schaf schert. Es gibt keinen besseren Weg. Nimm einen guten Rat von mir an, mein Freund, und halte dich an die althergebrachten Traditionen, wenn du nicht deinen gesamten Viehbestand einbüßen willst.«
Das Schaf schlug aus, und Dylan hielt es fest, bis es sich wieder beruhigt hatte. »Tinkerbell, ich habe die letzten dreißig Jahre des 20. Jahrhunderts miterlebt. Wenn die Menschheit in dieser Zeit eines gelernt hat, dann das: Es gibt immer einen besseren Weg.« Er drückte die Klingen der Schere ein paarmal zusammen, grunzte befriedigt und fuhr fort, das Schaf von seiner Winterwolle zu befreien.
Natürlich musste die schmierige, teerverklebte Wolle gereinigt werden, ehe sie weiterverarbeitet werden konnte, was Cait selbst übernahm, da Dylans vier Schafe nur eine verhältnismäßig kleine Menge geliefert hatten.
Als Dylan eines Abends von den Weiden zurückkehrte, schlug ihm ein überwältigender Ammoniakgestank entgegen, der ihm die Tränen in die Augen trieb. »Was um aller Welt ist denn das?« Er zog die Tür ein paarmal auf und zu, um die schlechte Luft hinauszuwedeln, ließ sie dann offen stehen und ging zu dem kleinen dreibeinigen Topf hinüber, den er als Quelle des Gestanks identifizierte.
»Das brauche ich, um die Wolle zu säubern.«
Dylans Augen wurden schmal. Ein höchst unangenehmer Verdacht beschlich ihn. »Ammoniak? Wo hast du denn Ammoniak herbekommen?«
»Ich weiß nicht, was Ammoniak ist. Das hier ist Pisse.« Sie rührte die Flüssigkeit mit einem Holzlöffel um.
Dylan stöhnte. »So genau wollte ich es eigentlich nicht wissen.«
»Warum fragst du dann?«
Er ging auf ihre Frage nicht ein, denn ihm war ein noch unangenehmerer Gedanke gekommen. »Wessen Pisse?«
»Die der Kühe. Nichts leichter, als ihnen einen Topf unterzuhalten, wenn sie pinkeln. Ich wünschte nur, sie würden auch so viel Milch geben.«
Dylan grunzte. Kuhpisse. Das war immer noch besser als die Vorstellung, wie Cait darauf lauerte, dass er den Nachttopf benutzte, damit sie seinen Urin sammeln konnte. »Du kochst das Zeug, nicht wahr?« Sie nickte. »Gut. Lass es nur ordentlich aufkochen.«
Cait lachte. »Ich möchte wirklich einmal wissen, warum du so wild darauf bist, dass alles Mögliche gekocht wird.«
»Tu mir den Gefallen und koch es gut auf.« Er wedelte mit der Hand, um den Gestank zu vertreiben. »Und benutz diesen Topf und den Löffel für nichts anderes mehr.«
Sie sah ihn an, als wäre er verrückt geworden.
»Tu mir den Gefallen.« Er wischte über seine tränenden Augen. »Bitte. Ich kaufe dir einen anderen Topf und schnitze dir einen neuen Löffel. Nur koch in diesem Topf kein Essen mehr.«
»Aye, ich werde es mir merken. Ich weiß nur nicht, warum das so schlimm wäre.« Sie rührte erneut in der Flüssigkeit herum, und Dylan verzog sich nach draußen, wo er wieder frei atmen konnte.
Nachdem die Wolle gereinigt und getrocknet war, machte sich Cait eines Abends daran, sie zu karden, während sie vor dem Feuer saßen. Dylan beugte sich vor, um ihr zu helfen, doch ein Klaps auf den Handrücken machte ihm klar, dass seine Hilfe nicht erwünscht war.
»Was ist denn? Lass es mich doch auch mal versuchen.«
»Du willst Frauenarbeit tun? Auf gar keinen Fall! Mein Mann kardet keine Wolle, selbst wenn er wüsste, wie man das macht.« Dylan gab ein unwilliges Schnauben von sich und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Cait deutete auf die Tür. »Geh hinaus, hol einen der Äste, die als Feuerholz aufgestapelt sind, und schnitze mir endlich den Löffel, den du mir versprochen hast.«
Er gehorchte, kam kurz darauf mit einem gut durchgetrockneten Stück Kiefernholz zurück, zückte seinen sgian dubh und begann, das Holz zu glätten und das breite Ende abzurunden. Seinen Dolch schärfte er immer noch regelmäßig, obwohl er es seit seiner letzten Verhaftung aufgegeben hatte, sich ständig zu rasieren, und so konnte er feine, saubere Späne von dem Holzstück abhobeln. Während er schnitzte, stellte er fest, dass er heute genau in der richtigen Stimmung war, um zur Burg zu gehen und zu hören, ob es etwas Neues gab. Aber Ciaran schlief im Nebenraum, und er wollte den Jungen nicht wecken. Im Sommer würden noch genug ceilidhs veranstaltet werden.
Seine Gedanken wanderten weiter. Er überlegte, wann es Zeit wäre, mit dem Pflügen zu beginnen. Tat er es
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