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Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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alles.«
    »Dann trifft es vermutlich auch nicht zu, dass es Euch möglich ist, in die Zukunft zu schauen?«
    Dylans Magen krampfte sich zusammen, während er angestrengt überlegte, wie und wann er sich verraten haben könnte. »Wissen und Raten sind zwei verschiedene Dinge.«
    Der Priester nickte. »Ja, Ihr habt außerordentlich gut geraten, als Ihr behauptet habt, George von Hannover würde Königin Annes Nachfolger werden.«
    Ach, das. Dylan entspannte sich und atmete leichter. »Das lag doch seit dem Parlamentsbeschluss von 1701 auf der Hand. Ein katholischer König konnte die Herrschaft nur übernehmen, wenn er den Thron mit Gewalt an sich reißt. Man muss kein Genie sein, um sich auszurechnen, dass laut den Gesetzen der Erbfolge George der nächste protestantische König sein würde.«
    Turnbull nickte lächelnd, als ob er geahnt hätte, dass Dylan das sagen würde. Doch dann bemerkte er im Plauderton: »Ich habe heute Morgen mit Eurem Freund Seumas Glas gesprochen. Er hält große Stücke auf Euch.« Dylans Zuversicht schwand. Er ahnte, was jetzt kam. »Vor allen Dingen prahlt er mit Eurer Fähigkeit, die Zukunft vorhersagen zu können. Anscheinend wusstet Ihr nicht nur vorher, wie der letzte Aufstand enden würde, sondern auch welche Clans sich auf die Seite von James Stuart schlagen würden. Und Ihr wusstet, wann James in Schottland ankommen und wann er das Land wieder verlassen würde.«
    »Ich hatte Zugang zu vertraulichen Informationen.« Das stimmte. Zwar hatte er besagte Informationen aus einem Geschichtsbuch bezogen, aber sie waren mit Sicherheit irgendwann einmal vertraulich gewesen.
    Doch Turnbull nahm die Erklärung nur achselzuckend hin, und sein Lächeln verblasste. »Es heißt auch, Ihr könntet mit unsichtbaren Wesen sprechen.« Er hob das Kinn, als ob das Thema ihn abstoßen würde. »Ich möchte lieber nicht darüber nachdenken, um was für dämonische Geschöpfe es sich dabei handelt.« Der Priester holte tief Luft und straffte sich, als müsse er für seine nächsten Worte Kraft sammeln. »Ihr solltet wissen, dass die Kirche alle Arten der Ausübung von Magie auf das Schärfste verurteilt. Und obgleich die katholische Kirche in diesem Punkt immer noch wesentlich toleranter ist als die schottische Staatskirche, sind doch viele von uns der Meinung, dass wir uns auf dem falschen Weg befinden. Vater Buchanan mag ja in seinem Kampf gegen das Böse etwas nachlässig gewesen sein; ich für meinen Teil werde keine heidnischen Aktivitäten in meiner Gemeinde dulden.«
    Heiliger Strohsack. »Was würdet Ihr denn tun, Vater, wenn plötzlich eine Fee hinter Euch auftauchen und Euch in den Arsch beißen würde?« Was in diesem Tal gar nicht so unwahrscheinlich war.
    Der Priester zwinkerte verwirrt. »Ich ... äh ... es gibt keine Feen.«
    »Wenn Ihr das sagt.« Dylan nickte Tormod zu, und sie fuhren mit ihrer Arbeit fort. Über den Sägelärm hinweg wandte sich Dylan noch einmal an den Priester. »Wir treffen uns in der Kirche, Vater.«
    »Das hoffe ich doch sehr, mein Sohn.« Mit diesen Worten drehte sich Vater Turnbull um und ging seiner Wege.
    Sowie er außer Hörweite war, murmelte Dylan auf Englisch: »Manche Leute würden auch Schwefelsäure trinken, wenn sie nur in Ginflaschen abgefüllt wäre.« Tormod hielt mit dem Sägen irtne und warf ihm einen fragenden Blick zu, daher erklärte Dylan auf Gälisch: »Anscheinend interessiert sich Vater Turnbull mehr für den äußeren Schein als für die Wahrheit.«
    Tormod nickte. »Och, aye.«
    Nachdem die Felder gepflügt, die Saat in der Erde und die Bretter für die Pritschen gesägt waren, gab es in den Häusern von Ciorram nicht mehr ganz so viel zu tun. Cait und Dylan standen bei Tagesanbruch auf, und während er in der Asche im Kamin stocherte und kräftig auf die Glut blies, um das Feuer zu neuem Leben zu erwecken, bereitete sie den Haferbrei für das Frühstück zu. Sowie das Feuer wieder hell brannte, ging Dylan zu dem Nachttopf, der in einer Ecke des Raumes hinter einem Vorhang stand, um sich zu erleichtern.
    Eine der Gewohnheiten dieses Jahrhunderts, mit der sich Dylan nie hatte abfinden können, war das Benutzen des Nachttopfes, während andere zusahen. Selbst als er mit Rob Roys Outlaws umhergezogen war, hatte er dies nicht ein Mal über sich gebracht, sondern immer gewartet, bis sich niemand mehr in der Baracke aufhielt, bevor er zu dem Topf in der Ecke ging. Seumas hatte ihn immer furchtbar damit aufgezogen, dass er anscheinend nie seinen

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