Die Verbannung
verstümmeln, brach ihm der kalte Schweiß aus. Er fuhr mit der Zunge wieder und wieder über das Loch, während er die Säge führte, und bemühte sich, nicht daran zu denken, dass bald jemand mit einer Zange in seinem Mund herumfuhrwerken würde.
Oben am Hügel begann Siggy plötzlich zu kläffen. Dylan hob den Kopf und sah, dass der Hund zu dem Pfad herüberblickte, der von Glen Ciorram hier herauf führte. Dort kam eine schwarz gekleidete Gestalt in Sicht, offenbar ein Priester. Vater Buchanan konnte es nicht sein, dieser Mann war hochgewachsen, hager und hatte eine fatale Ähnlichkeit mit einer Vogelscheuche. Mit seltsam schlurfenden Schritten näherte er sich Dylan und Tormod, die in ihrer Arbeit innehielten und sich mit den Ärmeln den Schweiß von der Stirn wischten. Dylan überlegte, ob er seinen Kilt abstreifen und nur in seinem Hemd weiterarbeiten sollte. In dem dünnen Leinen fiel ihm die Arbeit bestimmt leichter als unter dem dicken Wollstoff. Doch da war der Priester schon bei ihnen angelangt. »Guten Tag«, grüßte er auf Englisch und lächelte Dylan zu.
Tormods Stimme klang etwas schärfer als sonst, als er fragte: »Könnt Ihr kein Gälisch, Vater?« Er sprach kaum Englisch und wollte verstehen, was gesagt wurde.
Das Lächeln wurde noch um eine Spur breiter, der Priester beugte sich vor und wandte sich direkt an Tormod: »Es tut mir Leid, dass ich Englisch mit Euch sprechen muss, aber ich komme aus Lammermuir und verstehe kein einziges Wort Gälisch. Mir ist bewusst, welch ein Nachteil dies in dieser Gegend ist, aber ich hoffe, Ihr werdet mir behilflich sein, und vielleicht finden wir ja einen Weg, um uns zu verständigen. Ich habe in London studiert, also sollte ich schon in der Lage sein ...«
Tormod flüsterte Dylan auf Gälisch zu: »Er versteht jede Sprache, solange es nicht gerade Gälisch ist.«
Dylan schnaubte; beinahe hätte er laut losgeprustet. Der Priester richtete sich wieder auf. »Ich werde mein Bestes tun, um Eure Sprache so schnell wie möglich zu erlernen«, erklärte er beleidigt. Er wirkte sichtlich verärgert. Ob ihm aber Tormods Benehmen oder die gälische Sprache im Allgemeinen missfielen, war schwer zu sagen.
Dylan erwiderte auf Englisch: »Ich spreche fließend Amerikanisch, Vater, was dem Englischen nahe genug kommt, um Schwierigkeiten zu vermeiden.«
Ein erleichterter Ausdruck malte sich auf dem Gesicht des Priesters ab. Wieder lächelte er. »Ach ja, natürlich. Demnach seid Ihr Mr. Dylan Matheson, der Mann aus Virginia.«
Dylan nickte. Es überraschte ihn, dass der Priester seinen Namen schon kannte, und zugleich beschlich ihn das unangenehme Gefühl, dringend einen Anwalt zu benötigen. »Und Ihr seid ...«
»Vater Turnbull, zu Euren Diensten. Ich bin gekommen, um die Lücke auszufüllen, die Vater Buchanan hinterlassen hat.«
»Wie bitte?« Dylan sprang von dem Stamm herunter und übersetzte Turnbulls Worte auf Tormods Bitte hin ins Gälische.
Der Gesichtsausdruck des Priesters wechselte so schnell von Hi-Jungs-nett-euch-kennen-zu-lernen zu väterlicher Teilnahme, als habe jemand einen Schalter betätigt. »Es tut mir Leid, aber Vater Buchanan ist von uns gegangen. Der Arme war zwei Wochen lang schwer krank und ist nun bei Gott. Ich bin abgestellt worden, um seine Gemeinde zu übernehmen.«
»Für wie lange?« Das klang grob, aber die Nachricht hatte Dylan einen Schock versetzt.
Turnbull presste die Lippen zu einem schmalen, blutleeren Strich zusammen und hob das Kinn. »Auf unbestimmte Zeit.«
Dylan erklärte Tormod auf Gälisch, was Turnbull gesagt hatte, dann atmete er tief durch. Sein erster Eindruck von Turnbull mochte ja nicht der beste sein, aber der Priester würde nun einmal eine Weile in dieser Gegend bleiben. Er streckte die Hand aus und sagte so freundlich, wie es ihm in diesem Moment möglich war: »Willkommen in Glen Ciorram, Vater.«
Der Priester schüttelte die ihm dargereichte Hand und lächelte erleichtert. »Danke, Dylan.«
Dylan kletterte wieder auf den Stamm, um weiterzusägen, hielt jedoch inne, als Vater Turnbull fortfuhr: »Mir sind da einige merkwürdige Dinge über Euch zu Ohren gekommen, «
»Ihr müsst nicht alles glauben, was Ihr hört, Vater.«
Ein kameradschaftliches Grinsen trat auf das Gesicht des Priesters. »Es stimmt demnach also nicht, dass Ihr eigentlich zum Volk der Seehunde gehört?«
Dylan lachte. »Nein, ich bin kein Seehund und war auch nie einer. Ich besitze lediglich einen sporran aus Seehundfell, das ist
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