Die Verbannung
ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Dylan hielt sich hinter ihm und beobachtete die Straße und das Gewirr von Händlern, Karren, Reitern und Kindern, die zwischen den Fußgängern hin und her rannten. Schon kurz nach seiner Ankunft in diesem Jahrhundert hatte er gelernt, dass es sich empfahl, stets ein waches Auge auf seine Umgebung zu halten, denn fast jeder Mann führte eine Waffe mit sich. Selbst die, die ihre Degen zu Hause gelassen hatten, trugen mit Sicherheit einen Dolch oder einen sgian dubh am Körper verborgen. Und ob-wohl er noch nirgendwo in Schottland so viele Menschen auf einem Haufen gesehen hatte, fiel es ihm nicht schwer, jeden, der sich ihm näherte, rasch auf seine Gesinnung hin abzuschätzen.
Ramsay blieb stehen, wandte sich zu ihm um und erklärte: »Ich habe eine Verabredung in einem Kaffeehaus in der Lawnmarket Street. Danach gehen wir zu den Docks hinunter. Dort besitze ich zwei große Lagerhäuser. Ich handele so ziemlich mit allem, was sich verkaufen lässt - Rohwolle, Tuch, Leinen, Getreide, Zucker aus Madeira und Amerika, Öl, Eisenwaren, die ich von den Schmieden im Lowland erwerbe, Gold, Silber, Gewürze - einfach mit allem.«
»Und, nicht auch mit Sklaven?« Die Bemerkung war scherzhaft gemeint gewesen, aber Dylan sah sofort, dass er offenbar einen wunden Punkt getroffen hatte. Ramsay warf ihm einen forschenden Blick zu und überlegte einen Moment.
»Ich sagte, ich handele mit allem, was mir Profit bringt. Ich bin auch an Sklavenschiffen beteiligt. Das ist ein Gewinn bringendes Geschäft, die Nachfrage nach Sklaven ist in Amerika sehr groß.«
»Und es stört Euch nicht, dass Ihr Menschen wie Ware verkauft?«
Ramsay lachte humorlos auf, dann blieb er erneut stehen und musterte Dylan wie ein seltenes Insekt. In seinen hellen Augen lag eine solche Kälte, dass Dylan ein Schauer über den Rücken lief. »Ihr vergesst Euch. Habt Ihr Eurem früheren Arbeitgeber gegenüber auch einen so unverschämten Ton an den Tag gelegt?«
Dylans Augen wurden schmal. »Ich bitte um Entschuldigung. Das war sehr unhöflich von mir.« Ramsays Tonfall brachte ihn zur Weißglut, aber wenn er sich nicht beherrschte, würde er bald gefeuert werden und schlimmstenfalls im Gefängnis landen. Er biss sich auf die Lippe und blickte zu Boden.
Ramsay schwieg eine Weile, dann setzte er seinen Weg fort, wobei er beiläufig bemerkte: »Ich bekomme die Sklaven ja auch nicht umsonst, vergesst das nicht. Ich kaufe sie anderen Leuten ab. Also bin nicht ich es, der sie versklavt, ich transportiere sie nur von einem Ort zum anderen, und dabei steigt ihr Wert. Wenn ich das nicht täte, würde ein anderer das Geschäft machen. Und wenn Eure Leute in den Kolonien nicht so wild darauf wären, immer mehr Sklaven zu kaufen, würde der Menschenhandel vielleicht über kurz oder lang eingestellt werden.«
Dylan grunzte nur: »Aye, Sir« und gab vor, von einem Schaufenster gefesselt zu werden, in dem leuchtend bunte Wollsachen ausgestellt waren. Zu seinem großen Ärger musste er Ramsay Recht geben. Es traf zu, dass seine amerikanischen Vorfahren - sowohl die Mathesons als auch die Brosnahans - und auch einige andere Zweige seiner Familie bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges Sklaven gehalten hatten. Da er in diesem Jahrhundert sozusagen den Platz seiner eigenen Vorfahren einnahm, stand es ihm schlecht an, sich als Moralapostel aufzuspielen.
Ramsay fuhr fort: »Glaubt mir, es gibt keine Rasse auf der Welt, die nicht bereitwillig ihre eigenen Angehörigen in die Sklaverei verkauft, wenn man ihr die Gelegenheit dazu gibt.« Als Dylan keine Antwort gab, meinte er: »Nun, auf jeden Fall habt Ihr und Eure Männer für meine Sicherheit zu sorgen. Während meiner Arbeitszeit und auf Reisen werdet Ihr, Mac a'Chlaidheimh, als mein Leibwächter fungieren, und Eure Männer werden meine Lagerhäuser bewachen. Ihr seid für mein Leben und meinen Besitz verantwortlich. Fühlt Ihr Euch dieser Aufgabe gewachsen?«
Dylan nickte. »Aye, Sir.«
Sinann, die über ihren Köpfen schwebte, schnitt Ramsay eine verächtliche Grimasse und zischte, obgleich er sie weder sehen noch hören konnte: »Wenn du wüsstest, dass er dich am liebsten eigenhändig umbringen würde!« Dylan musterte sie streng und runzelte die Stirn, doch sie verzog nur das Gesicht, schwirrte zu ihm hinüber und flüsterte ihm zu: »Sieht nicht so aus, als ob er dich mit zu sich nach Hause nehmen und dich seiner Frau vorstellen möchte, Freundchen.«
Dylan hätte der kleinen
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