Die Verbannung
aufmerksam verfolgte. Von seinem Platz aus konnte er jedes Wort genau verstehen, wenngleich er auch in das Gespräch nicht mit einbezogen wurde.
Ganz offensichtlich hielten die beiden Kaufleute Dylan für zu beschränkt, um zu verstehen, was sie miteinander besprachen. Da er einen Kilt trug, stuften sie ihn automatisch als ungebildeten, des Lesens und Schreibens unkundigen Highlander ein, der vom Geschäftswesen keinerlei Ahnung hatte. Sie konnten ja nicht wissen, dass Dylan aus dem 20. Jahrhundert stammte, an der Vanderbilt University in Nashville, Texas, studiert und ein Diplom in Wirtschaftswissenschaften erworben hatte. Zwar würden sich die Welthandelsbedingungen im Laufe der nächsten drei Jahrhunderte grundlegend ändern, dennoch vermochte Dylan dem Gespräch mühelos zu folgen.
Es ging um Weinhandel. Ramsay und sein Freund diskutierten über die Preise in Le Havre, Burgund und Nancy, und schon bald kannte Dylan den genauen Marktwert verschiedener Weine in London und Glasgow. Auch erfuhr er die Namen von drei von Ramsays Schiffen - Dover, Sea Lion und Marietta - sowie ihre jeweilige Ladekapazität. Die beiden ersteren brachten Wein nach New York, und das dritte war mit einer Ladung Muskovade 1 - was immer das sein mochte -nach Frankreich unterwegs. Die Unterhaltung langweilte ihn und brachte ihn seinem Ziel, Cait zu finden, keinen Schritt näher, trotzdem prägte er sich alles, was er hörte, genau ein. Vielleicht hatte er ja später einmal Verwendung dafür.
Es überraschte ihn nicht, dass beide Männer Amsterdam anscheinend als eine Art finanzielles Mekka betrachteten. Dylan wusste bereits, dass Holland großen Einfluss auf den Welthandel ausübte, das britische Imperium auf diesem Gebiet dagegen noch keine wesentliche Bedeutung erlangt hatte. Jetzt hörte er, dass Ramsay die Fühler nach Maklern an der Amsterdamer Börse ausstreckte, die bereit waren, auf Provisionsbasis für ihn zu arbeiten. Aber der zweite Mann am Tisch war Engländer, Ramsays Partner an der Londoner Börse, wie es aussah, und er hatte für Amsterdam nur Verachtung übrig. »Zu umständlich«, bemerkte er, wobei sein Tonfall deutlich besagte, dass er >lohnt die Mühe nicht< meinte. Ramsay verfolgte das Thema nicht weiter, aber Dylan sah ihm an, dass er fest entschlossen war, einen Agenten in Amsterdam zu finden; wenn nicht über diesen Mann, dann eben durch einen anderen.
Im Laufe des Nachmittags begann Dylans Magen vernehmlich zu knurren, doch er wagte es nicht aufzustehen und sich an der Theke etwas zu essen zu besorgen, weil er Angst hatte, etwas von dem Gespräch zu versäumen. Sinann rollte sich zu seinen Füßen auf dem Boden zusammen, um ein Nickerchen zu machen.
Während er der Unterhaltung der beiden Männer lauschte, sah sich Dylan in der Gaststube um. Immerhin war er Ramsays Leibwächter und musste als solcher zumindest den Anschein erwecken, als läge ihm die Sicherheit seines Arbeitgebers am Herzen. Die anderen Gäste schenkten ihm keinerlei Beachtung, sie waren mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt. An einem Nebentisch saß eine Gruppe gut gekleideter, jedoch bereits stark angetrunkener Männer, die immer wieder in dröhnendes Gelächter ausbrachen. In ihrer Begleitung befanden sich zwei Frauen, an deren Beruf Dylan keinerlei Zweifel hegte. Das Haar hing ihnen unordentlich ins Gesicht, und die Brüste drohten aus den knappen Miedern zu quellen. Sie wirkten schmuddelig und ordinär und hatten ganz offensichtlich gleichfalls entschieden zu viel getrunken. Dylan beobachtete sie belustigt und wartete darauf, dass sie auch die letzten Hemmungen ablegten und ihre Brüste ganz entblößten. Einer der Männer zog das jüngere Mädchen auf seinen Schoß und ließ seine Hände unter ihren Rock gleiten, woraufhin sie wollüstig zu stöhnen begann.
Doch plötzlich ging Dylan auf, dass Cait dasselbe Schicksal bevorstand, wenn es ihm nicht gelang, sie fortzubringen, bevor ihr Mann sie aus dem Haus jagte. Kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn, und er wandte angeekelt den Blick ab. Das anstößige Schauspiel hatte seinen Reiz für ihn verloren.
Der Engländer sagte gerade leise zu Ramsay: »... und die Flotte Seiner Majestät ist hinter der Spirit her, wie ich hörte.«
Einen Moment lang herrschte Stille. Der Engländer wartete auf Ramsays Antwort. Nach einer Weile erwiderte der Lowlander gedehnt: »Tatsächlich? Und was hat das mit mir zu tun?«
Der andere Mann neigte den Kopf spöttisch zur Seite. »Wenn sie aufgebracht
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