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Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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Idee kam, aus dem Fenster zu schauen. Das Gebäude bestand aus grauem Stein, die Vorderfront fiel durch die riesigen, sehr kostspieligen Bleiglasfenster auf. Hinter den kleineren, viereckigen Fensterchen knapp oberhalb des gepflasterten Hofes lagen vermutlich die Dienstbotenunterkünfte und die Küche. Schwere Vorhänge ließen kaum einen Lichtstrahl nach draußen dringen, und er zuckte jedes Mal zusammen, wenn sich dahinter ein Schatten bewegte. Konnte das Cait sein? Er versuchte, sie durch bloße Willenskraft dazu zu bewegen, den Vorhang ein Stück zurückzuziehen, und als das nicht gelang, flüsterte er Sinann zu: »Mach, dass sie aus dem Fenster schaut. Ich möchte sie ein Mal sehen, ein einziges Mal nur.« Seit eineinhalb Jahren war er nun von ihr getrennt, und das Verlangen, wenigstens einen flüchtigen Blick auf sie zu werfen, wurde nahezu unerträglich.
    Die Stimme der Fee klang ungewöhnlich mitfühlend, als sie antwortete: »Soll ich sie mit einem Zauber belegen? Bist du sicher, dass du das wünschst?«
    Dylan stöhnte. So sehr er sich auch danach sehnte, einmal kurz Caits Gesicht zu sehen - er wagte es einfach nicht, Sinann um einen Zauber zu bitten, den sie später nicht wieder rückgängig machen konnte. Ohne den Blick vom Fenster zu wenden, schüttelte er wortlos den Kopf. Seine Fantasie gaukelte ihm Bilder einer lächelnden Cait vor. Dort war sie, nur wenige Meter von ihm entfernt, und doch konnte er sie nicht sehen, sie nicht berührten, nicht den Duft ihres Haares einatmen. Sie nicht in die Arme reißen und küssen.
    Und dort, in diesem Haus, das ihm versperrt blieb, befand sich auch sein Sohn. Dylan hüllte sich enger in seinen Mantel und presste sich mit dem Rücken gegen den kalten, harten Stein des Torbogens. Er musste all seine Beherrschung aufbieten, um nicht einfach in das Haus zu stürmen, seine Familie zu befreien und sie in Glen Ciorram in Sicherheit zu bringen. Doch genau das durfte er nicht tun. Es gab keinen Ort, wo sie hingehen konnten, solange er als Outlaw verfolgt wurde.
    Dennoch verspürte er den überwältigenden Drang, etwas zu unternehmen, irgendetwas, egal was. Die ersten drei Jahrzehnte seines Lebens, die er im Amerika des 21. Jahrhunderts verbracht hatte, hatten ihn entscheidend geprägt und zu einem pflichtbewussten, verantwortungsvollen Menschen gemacht. Nichts verabscheute er so sehr wie Väter, die ihre Kinder im Stich ließen oder sich vor Unterhaltszahlungen drückten. Wenn er früher über eigene Kinder nachgedacht hatte, war er immer davon ausgegangen, sein Leben als Vater werde von der Sorge um seine Sprösslinge, von Pfadfindertreffen, Elternabenden und Besuchen von Schulaufführungen beherrscht sein. Und nun war alles so anders gekommen. Mit allen möglichen Problemen hatte er gerechnet, aber nicht mit dieser entsetzlichen Hilflosigkeit. Heiße Scham stieg in ihm auf. Im Grunde genommen war er genauso ein verantwortungsloser Schuft wie all die Männer, die nicht für ihre Familien sorgten. Flehentlich blickte er die Fee an. »Sag mir, dass es ihnen gut geht, Sinann. Du warst doch im Haus, nicht wahr, du hast Cait und Ciaran gesehen. Sag mir, dass sie dort sicher sind.«
    Sinann schwieg lange, dann erwiderte sie ausweichend: »Der Junge ist noch zu klein, um zu verstehen, was um ihn herum vorgeht. Deine Cait beschützt ihn.«
    »Und wer beschützt sie?«
    »Du darfst nichts überstürzen, Dylan. Aber du musst einen Weg finden, sie von dort fortzubringen. Sie ist zäh und willensstark, sie weiß sich ihrer Haut zu wehren, aber sie braucht dich.«
    Dylan schluckte hart. Lange blieb er regungslos in dem Torbogen stehen, ohne auf die winterliche Kälte zu achten, und beobachtete die Fenster, bis drinnen im Haus die letzte Kerze gelöscht wurde. Dann wandte er sich ab und kehrte, von düsteren Vorahnungen geplagt, zum Hogshead Inn zurück.

6. KAPITEL 
    »Dylan ...«
    Dylan erwachte mit einem Ruck und richtete sich im Bett auf. Das Feuer glühte noch schwach, spendete aber kein Licht mehr. Er kniff die Augen zusammen und blinzelte ins Dunkel. »Cait?«
    Dann hörte er es wieder. Eine Frauenstimme, die wie aus weiter Ferne an sein Ohr drang. »Cait?« Er konnte nicht verstehen, was sie sagte, vernahm nur noch ein einziges Mal klar und deutlich seinen Namen. Dann herrschte wieder Stille.
    »Cait!«, rief er laut.
    Vom Fuß des Bettes her ertönte Sinanns schläfrige Stimme. »Das war nicht deine Cait.«
    »Woher weißt du das?«
    Eine kurze Pause entstand, dann sagte die

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