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Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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übrig bleiben, als zunächst aufzugeben und sich für weitere vier Jahre nach Rom zurückzuziehen. Wie sehr es Dylan bedauerte, die Zukunft bereits zu kennen. Nur zu gerne hätte er Seumas' glühende Begeisterung für die Sache geteilt; hätte gerne an irgendetwas geglaubt, was ihm Kraft und Hoffnung geben könnte. Er hasste Bedford und alles, wofür die englische Armee stand, aber dieser Hass reichte nicht aus, ihn dazu zu bringen, sich einer Sache zu verschreiben, die schon verloren war, ehe der Kampf begonnen hatte. Er seufzte, trank dann aber doch auf James VIII. - eben weil der König einen verlorenen Kampf kämpfte und. weil es als Hochverrat galt, Trinksprüche auf ihn auszubringen. Danach sprach er ein stummes Gebet für Seumas.
    Lange Zeit herrschte Schweigen, bis Dylan den Krug erneut hob. »Auf deine junge Frau.« Er setzte den Krug an die Lippen, doch als er gerade einen Schluck nehmen wollte, sah er, dass Seumas aschfahl im Gesicht geworden war. Rasch stellte er den Krug wieder auf den Boden. »Was ist denn los, Seumas?«
    Seumas presste die Lippen zusammen, bis sein Mund einem schmalen weißen Strich glich. Er schien kaum noch zu atmen. Dylan fürchtete, sein Freund könne in Ohnmacht fallen, und machte Anstalten, ihm heftig auf den Rücken zu klopfen, doch da rang Seumas krampfhaft nach Luft, atmete einmal keuchend tief durch und krächzte dann: »Sie haben sie umgebracht.«
    Dylan wartete geduldig darauf, dass er weitersprach. Schließlich fuhr Seumas tonlos fort: »Es geschah am Tag nach der Schlacht. Die Sassunaich besetzten das Tal und begannen damit, die Bewohner zu verhören. Sie wollten wissen, wo Rob und der Rest seiner Leute steckten. Ich war an diesem Tag nicht dort, ich marschierte noch mit Mars Truppen, trennte mich aber kurz darauf von ihnen und kehrte nach Glen Dochart zurück. Wie dem auch sei, ein paar der schottischen Dragoner, die mit den Rotröcken gemeinsame Sache machten, wussten von unserer Heirat, daher befahlen sie meine Frau zum Verhör zu sich. Sie hofften, von ihr zu erfahren, wo ich mich aufhielt. Aber sie hatte nicht die Absicht, irgendeinen von Robs Männern zu verraten, und hielt mit ihrer Meinung über die Engländer auch nicht hinter dem Berg.« Ein leises Lächeln spielte um Seumas' Lippen, und ein träumerischer Ausdruck trat in seine Augen. »Sie war ein richtiger Hitzkopf. Ließ sich von keinem Mann etwas bieten, noch nicht einmal von mir.«
    Dylan konnte sich an das Mädchen nur noch schwach er-innem, aber er nickte zustimmend, denn er wusste, dass sie in dem Ruf gestanden hatte, äußerst eigenwillig und halsstarrig zu sein.
    Seumas erzählte weiter: »Daraufhin bestanden die Soldaten darauf, dass sie mit ihnen käme. Sie wehrte sich und schlug einen von ihnen nieder.« Dylan hob erstaunt die Brauen. Seumas kicherte. »Aye, sie versetzte ihm mit der geballten Faust einen Kinnhaken, der ihn zu Boden schickte, hat man mir berichtet. Dann rannte sie los. Doch die Soldaten ...«, er starrte ins Feuer, das orangefarbene Pünktchen in seinen Augen tanzen ließ, »... sie schössen auf sie. Sie muss sofort tot gewesen sein.«
    Lange sprach keiner der beiden Männer ein Wort. Endlich räusperte sich Dylan leise. »So hat sie wenigstens nicht gelitten. Wer weiß, was die Sassunaich mit ihr angestellt hätten.« Er erschauerte, als er an seine eigenen Erfahrungen mit den Verhörmethoden der Rotröcke zurückdachte.
    »Nein, sie hat nichts gespürt. Das ist mein einziger Trost.« Seumas schwieg einen Moment, dann griff er nach dem Whiskykrug, hob ihn in die Höhe und begann, wie Dylan erstaunt erkannte, in gewichtigem Tonfall die Declaration of Arbroath aus dem Jahre 1320 zu zitieren, die während des Kampfes von Robert the Bruce gegen König Edward I. verabschiedet worden war: »Solange auch nur noch hundert der Unsrigen am Leben sind, werden wir uns unter keinen Umständen unter das Joch der englischen Herrschaft beugen, denn wir kämpfen nicht für Ruhm und Reichtum, sondern allein für die Freiheit, die jeder Mann von Ehre mit seinem Leben verteidigt.« Dann trank er und reichte den Krug an Dylan weiter, der einen Augenblick überlegte.
    Schließlich nickte er und murmelte auf Englisch: »Einst wird kommen der Tag ...« und trank gleichfalls einen großen Schluck.
    Keith und Alasdair kamen, um sich an dem Trinkgelage zu beteiligen. Seumas richtete sich auf, zwinkerte ein paarmal und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. Dylan gab den Krug an Alasdair

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