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Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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etwas anderes erwartet?«
    »Und wenn dich jemand sieht?«
    Er zuckte die Schultern. »Dann ist die Katze aus dem Sack, nehme ich an.«
    »Ramsay wird dich umbringen.«
    »Ei kann es ja versuchen.«
    »Und wenn du ihn tötest?«
    »Das habe ich nicht vor.«
    »Wenn er euch zwei überrascht, bleiben dir nicht viele Möglichkeiten. Du kannst entweder deine Cait und den Jungen mitnehmen, was den sicheren Tod für ihn und wahrscheinlich auch für sie bedeutet. Oder du kannst die beiden hier lassen, dann werden sie für den Rest ihres Lebens für deinen Leichtsinn büßen, und du wirst keinen von beiden je wieder sehen.«
    Dylan starrte nachdenklich ins Feuer. Er wusste, dass er ein hohes Risiko einging; dass er sein Leben und das von Cait und ihrer beider Sohn für eine einzige Nacht aufs Spiel setzte. Aber er konnte jetzt keinen Rückzieher machen, nicht jetzt, wo er Cait nach so langer Zeit endlich so nahe war. »Ich muss sie sehen, verstehst du? Wie kann ich in diesem Raum bleiben, wenn ich weiß, dass sie sich direkt über mir befindet und ich sie nicht in die Arme nehmen und küssen kann?«
    »Aber ...«
    »Ich weiß nicht, ob ich jemals wieder eine solche Gelegenheit bekomme. Wenn ich heute Nacht nicht zu ihr gehe und sie dann nie wieder sehe, werde ich es für den Rest meines Lebens bereuen. So kurz dieser Rest unter Umständen auch sein mag - ich will ihn nicht damit verbringen, jede einzelne Minute lang zu bedauern, dass ich eine Nacht mit Cait hätte verbringen können und es nicht getan habe.«
    Die Fee schüttelte seufzend den Kopf. »Eigentlich habe ich nichts anderes erwartet.«
    Dylan widmete sich seiner Mahlzeit. Es riss das Brot wie eine Hotdog-Semmel der Länge nach auf und füllte es mit dem kalten Hühnerfleisch, dann wischte er sich die Finger an der Serviette ab. Flüchtig bedauerte er das Fehlen von Mayonnaise oder Senf, aber zumindest roch das Fleisch frisch, und im Brot fand sich kein Ungeziefer. Beides war für diese Jahreszeit ein kleines Wunder. Der Humpen enthielt kein Ale, sondern Wein. Dylan kannte sich auf diesem Gebiet nicht aus, er hielt die dunkle, schwere Flüssigkeit für eine Art Burgunder. Er wusste auch nicht, ob der Kenner diesen Wein zu einem trockenen Hühnersandwich empfehlen würde, trank ihn aber nichtsdestotrotz mit Genuss. Als er seine Mahlzeit zur Hälfte verzehrt hatte, kehrte im oberen Stockwerk Ruhe ein.
    Eine Weile saß er lauschend da, aber das Pochen setzte nicht wieder ein. Er stopfte sich den Rest seines Sandwiches in den Mund, ging dann zur Tür und legte das Ohr an das Holz, um zu hören, ob Ramsay nach vollbrachter Tat die oberen Räume wieder verließ. Alles blieb still. Er schluckte den letzten Bissen hinunter und wandte sich an Sinann. »Du wartest hier.«
    Die Fee kicherte. »Och, ich bin die Letzte, die dich heute Nacht stören würde, mein Freund. Es gibt Dinge, die ich nicht unbedingt mit ansehen muss. Aber ich halte es für keine gute Idee, hier zu bleiben, wenn ich dir vor der Tür der Kammer, in der deine Cait schläft, sehr viel nützlicher sein könnte. Einer muss euch vor ungebetenen Besuchern warnen.«
    Dylan nickte ihr dankbar zu, trank den Wein mit einem Zug aus und wischte sich Finger und Mund an der Serviette ab, bevor er auf den Korridor hinausschlüpfte und die Tür leise hinter sich schloss. Die Kerzen auf dem Tisch auf dem Treppenabsatz waren gelöscht worden, der Gang lag im Dunkeln da, nur hier und da fiel ein Strahl silbernen Mondlichts durch den Spalt zwischen den zugezogenen Vorhängen am Fenster herein. Dylan betastete die Kerzen. Sie waren kalt, die Dienstboten mussten schon vor geraumer Zeit zu Bett gegangen sein.
    Leise tastete er sich den Korridor entlang. Auch die Kerzen im großen Saal und im Salon brannten nicht mehr. Soweit er es beurteilen konnte, lagen alle Bewohner des Hauses in tiefem Schlaf. Er stieg die steinerne Treppe empor. Sie war so schmal, dass er fast mit beiden Schultern gegen die Wand stieß, und die steilen Stufen fühlten sich unter seinen nackten Füßen eiskalt an. Sie mündeten am Ende der Galerie, die entlang des großen Saales verlief. Direkt gegenüber lag die Tür zu dem Raum, den Cait ihm gezeigt hatte - ihrer Schlafkammer. Die Kinderstube befand sich auf der anderen Seite des Hauses, am entgegengesetzten Ende der Galerie.
    Die Tür vor ihm stand einen Spalt offen; er konnte ein helles Feuer erkennen, das im Kamin prasselte. Ganz langsam schob er die Tür auf. Cait saß, in ein leinenes Nachthemd und

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