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Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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keinen Ton heraus.
    Doch allmählich begann der Schmerz abzuebben, die Erinnerungen verblassten, die Geister der Vergangenheit ließen von ihm ab. Cait fuhr mit der Fingerspitze über jede einzelne Narbe, von der Schulter bis hinunter zu seinen Hüften. Die Peitschenhiebe hatten seine Haut hart und unempfindlich gemacht, doch ein wenig Gefühl war zum Glück zurückgeblieben. Sein Rücken begann unter ihrer Berührung angenehm zu kribbeln. Als sie bei der letzten Narbe angelangt war, schmiegte sie sich an ihn und umarmte ihn. »Warum hast du das getan?«, fragte er leise.
    Ihre Stimme erklang ganz nah an seinem Ohr: »Schön sind sie nicht, aber sie sind ein Teil von dir, also liebe ich sie, wie ich alles an dir liebe.«
    Und da löste sich endlich der Knoten in seinem Inneren, der ihn seit seiner Flucht aus der Garnison gequält hatte, und er fühlte sich zum ersten Mal seit fast zwei Jahren wieder wie ein vollständiger Mensch.
    Cait umarmte ihn noch einmal, dann strich sie über die verschorfte Wunde an seiner linken Schulter, dann über seine Arme. Als sie Dylans Handgelenke erreichte, hielt sie inne und spähte über seine Schulter. »Was hast du denn da?«
    Dylan blickte das Bändchen an, dass Sinann ihm umgebunden hatte, und hielt es ins Licht. »Das ist...« Ihm fiel ein, was die Fee ihm gesagt hatte. »Es ist ein Talisman. Er verleiht seinem Träger Kraft.«
    Cait betastete das Band. »Seit wann trägst du das?« Ein seltsamer Unterton schwang in ihrer Stimme mit. Anscheinend hatte dieses Band für sie eine ganz besondere Bedeutung, von der er nichts ahnte.
    Stirnrunzelnd erwiderte er: »Schon eine Weile. Schon ziemlich lange, glaube ich.«
    »Also warst du es.« Jetzt hörte er deutliche Erregung aus ihrer Stimme heraus. Und noch etwas. Eine Art heimlichen Triumphs. »Du hast mir das Leben gerettet.«
    »Bitte?« Zum ersten Mal seit einer halben Ewigkeit wünschte ei, Sinann wäre hier und könnte ihm erklären, was das alles zu bedeuten hatte. »Fang doch einfach ganz am Anfang an und sag mir, worauf du hinauswillst.«
    Eine lange Pause entstand, während der sie ihre Gedanken ordnete. Er wartete geduldig und spielte dabei mit einer ihrer Locken. »Es war in unserer Hochzeitsnacht«, begann sie endlich. Dylan presste die Lippen zusammen. Er war sicher, dass ihm das, was er gleich zu hören bekommen würde, sauer aufstoßen würde, aber er sagte nichts. Cait fuhr fort: »Er kam zu mir, in meine Kammer. Ich war bereit, meinen ehelichen Pflichten nachzukommen, aber ...« Dylans Interesse war schlagartig geweckt. Das klang ganz und gar nicht nach dem, was er erwartet hatte. »Aber dann sah ich es ...«
    »Was?«
    »Er hatte nässende Wunden. An seinem ... du weißt schon. Da wusste ich, dass er an der französischen Krankheit litt und dass ich nicht zulassen durfte, dass er mich berührt. Also begann ich zu schreien, so lange, bis er sich wieder ankleidete und ging.«
    Dylan konnte nicht anders, er musste bei der Vorstellung kichern. »Du hast geschrien?«
    Die Erinnerung an jene Nacht schien sie sehr aufzuregen, denn sie sprach immer schneller und lauter. »Ich wagte nicht, mich ihm hinzugeben. Ich wollte nicht, dass mein Kind tot zur Welt kommt.« Dylan legte ihr einen Finger auf die Lippen, um zu verhindern, dass man sie im ganzen Haus hörte. Mit gedämpfter Stimme fuhr sie fort: »Ich war auch wenig begeistert von der Aussicht, selbst den Verstand zu verlieren und schließlich zu sterben. Lieber wäre ich in Schande zu meinem Vater zurückgekehrt, als meinen Sohn zu verlieren. Ich habe gesehen, was diese Krankheit anrichten kann. Die Männer, die die Viehherden nach Edinburgh treiben, kommen manchmal mit diesen Pusteln zurück. Sie stecken ihre Frauen an, beide Ehepartner sterben, und die ungeborenen Kinder mit ihnen. Das ist auch in Glen Ciorram schon vorgekommen.« Bei den letzten Worten war ihre Stimme kaum noch zu vernehmen gewesen. Sie hatte ihm gerade das Schlimmste verraten, was sie über die Leute ihres Vaters wusste.
    »Aber du wusstest doch, dass du ein Kind erwartest. Du wusstest, dass Ramsay das Baby nie für sein eigenes halten würde, wenn du ihn nicht in dein Bett lässt.«
    Sie sah ihn an, als habe er gerade eine unbeschreibliche Dummheit von sich gegeben. »Wie ich schon sagte - ich wollte, dass Ciaran lebt. Um jeden Preis. Außerdem hätte Connor sowieso erfahren, dass der Junge nicht von ihm ist, er kam viel zu früh. Und wer würde wohl deinen Sohn mit einem Kind von Connor Ramsay

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