Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Titel: Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
Vom Netzwerk:
mittleren Alters, dessen schöne Gesichtszüge von seinem gepflegten Bart noch hervorgehoben wurden. Sie kannte den Mann. Jeder kannte den Mann.
    Sofort drängelte sie sich durch die Tanzenden. Osman und sein Gesprächspartner bemerkten sie erst, als sie direkt vor ihnen stand. Der gutaussehende Mann verbeugte sich.
    »Es ist immer wieder eine Freude, Sie zu sehen, Frau Doktor.«
    »Ich freue mich erst, sobald ich Sie von hinten sehe«, antwortete Batügül kalt.
    »Wie könnte ich Ihnen eine Bitte abschlagen? Ich wünsche Ihnen und Ihrem Bruder noch einen angenehmen Abend.« Er verbeugte sich vor ihr und verschwand in der Menge. Osman hatte er keines Blickes mehr gewürdigt.
    Batügül packte ihren Bruder am Arm.
    »Was wollte er von dir?«, zischte sie.
    »Du hast kein Recht, dich in meine Angelegenheiten zu mischen.« Vergeblich versuchte er, ihre Hand abzuschütteln.
    »Es wird sich noch zeigen, ob es deine Angelegenheiten sind. Was hast du mit ihm zu schaffen?«
    »Ich habe nichts mit ihm zu schaffen. Lass mich los.«
    »Wenn du es mir nicht sagen willst, gehen wir zu Vater.«
    Die Erwähnung seines Vaters machte Osman nervös. »Es war gar nichts. Er hatte nur von irgendjemandem gehört, dass die Ausländerin bei uns wohnt, und hat gefragt, warum. Sonst nichts.«
    »Sonst nichts?« Batügül hatte unwillkürlich die Stimme erhoben, und mehrere Leute drehten sich nach ihr um. Leiser fuhr sie fort: »Und wenn sich Marion diesen Verfolger nicht eingebildet hat? Wenn er es ist?«
    Osman zuckte die Schultern. »Wohl kaum. Sie hat nämlich vorhin mit ihm getanzt. Akhun war einfach nur neugierig. Wie alle anderen auch. Du hättest sie ja nicht mitzuschleppen brauchen, deine neue Freundin. Wenn ihr Aufenthalt bei uns so geheim ist, hat sie hier nichts zu suchen.« Mit diesen Worten riss er sich los und ließ seine Schwester einfach stehen. Sprachlos sah sie ihm nach.
    Osmans Ausbruch beunruhigte Batügül. Ihre Sorge wegen Akhun mochte tatsächlich unbegründet sein, aber ihr Bruder hatte einen wunden Punkt berührt. Sie hätte Marion tatsächlich nicht mit zu der Hochzeit nehmen dürfen – sowenig wie sie die Deutsche ohne die Erlaubnis der Polizei bei sich übernachten lassen durfte. Eine Erlaubnis, die sie mit Sicherheit nicht erhalten hätte. Konnte sie wirklich jedem einzelnen der anwesenden Gäste vertrauen? Im Laufe des Abends mussten Hunderte von Menschen auf der Feier gewesen sein, es war ein ständiges Kommen und Gehen. Außer Marion waren nur Uighuren anwesend, aber auch unter ihnen gab es schwarze Schafe, denen es eine Genugtuung wäre, der Frau Doktor eins auszuwischen. Und sie vielleicht sogar wegen illegaler Unterbringung einer Ausländerin anzuzeigen.
    Der altbekannte Zorn kochte in ihr hoch. In welch schrecklichem Land lebte sie eigentlich, in dem jeder jeden bespitzelte, sie ihre Gäste nicht bewirten durfte und ihre Meinung nur den Ziegen mitteilen konnte?
    Marion musste so schnell wie möglich abreisen, so leid es ihr auch tat. Batügül musste ihre Familie schützen. Sie machte sich auf die Suche nach den Familienmitgliedern und drängte zum Aufbruch. Die Lust zum Feiern war ihr gründlich vergangen.
    * * *
    Am späten Vormittag des nächsten Tages saß Marion allein im Innenhof des Hauses und spielte mit Ahmet. Die Männer waren schon früh zur Arbeit gegangen, Sodia war in der Schule und Batügüls Mutter besuchte eine Nachbarin. Großvater Kumran hatte sie noch nicht gesehen, er schlief wohl noch. Batügül trat aus der Küche und überquerte den Hof.
    »Ich mag gar nicht daran denken, dass ich in wenigen Stunden schon im Bus nach Turfan sitzen werde«, sagte Marion, als Batügül neben ihr in die Hocke ging.
    »Du wirst nicht sitzen, sondern gemütlich liegen. Die neuen Busse sind sehr bequem.« Batügül nahm Marion den zappelnden Ahmet aus den Armen. Widerwillig überließ Marion den Kleinen seiner Mutter.
    »Darum geht es nicht«, sagte Marion. »Ich freue mich auf die neuen Orte, aber es macht mich traurig, dass ich euch verlassen muss. Die letzten neun Tage waren die schönsten seit langem. Du wirst mir fehlen.«
    »Du wirst uns auch fehlen, aber ich bin trotzdem froh, dass ich so schnell noch ein Ticket für dich bekommen konnte. Wenn du länger bleiben würdest, könnte es eine Menge Ärger mit den Chinesen geben«, sagte Batügül, und Marion stellte fest, dass sich ihre Miene verfinsterte.
    »Du hasst die Chinesen, nicht wahr?«, fragte sie leise.
    »Nein, ich hasse sie nicht«,

Weitere Kostenlose Bücher