Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Titel: Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
Vom Netzwerk:
Zhenguo.
    »Warum nicht?«
    »Eine der Verletzten war eine Deutsche. Es muss ja nichts heißen, aber …«
    Yandao wartete nicht, bis Zhenguo seinen Satz zu Ende gebracht hatte. Er riss den Umschlag von dem Stapel, schüttelte den Inhalt auf den Schreibtisch und vertiefte sich in den Bericht. Zhenguo nahm sich noch einen Keks und betrachtete gedankenverloren die schwarzen Filzstiftstriche. Dann verschwand er so unbemerkt, wie er das Zimmer betreten hatte.
    Es kostete Yandao keine zehn Minuten, bis er den Arzt ausfindig gemacht hatte, der die Ausländerin behandelt hatte, und keine weiteren zehn Sekunden, um sich davon zu überzeugen, dass es tatsächlich Ma Li Huo gewesen war. Der Arzt, ein gewisser Dr. Qiu, berichtete ihm von Ma Li Huos heroischem Einsatz und dass sie noch versucht hätte, den Selbstmörder – anders könne man sein Verhalten wohl kaum erklären – aufzuhalten. Eine nette junge Frau, diese Reu-Ta xiaojie, befand Dr. Qiu, aber warum sie aus dem Krankenhaus getürmt sei …
    »Getürmt?«
    »Allerdings. Am Morgen, nachdem sie aufgewacht ist, hat sie noch vor Sonnenaufgang das Krankenhaus verlassen.« Dr. Qiu schien ehrlich entrüstet zu sein. Yandao lächelte trotz der bestürzenden Neuigkeiten. Der Doktor konnte ja nichts von Ma Li Huos Krankenhausaversion ahnen. »Die Krücken hat sie mitgenommen und uns dafür ein paar verschlissene Kleidungsstücke, ausländische Bücher und ein seltsames Ding aus Plastik dagelassen. Soll ich Ihnen die Sachen nach Kashgar schicken?«
    »Ja, bitte. Und vielen Dank für die Auskünfte.«
    Yandao legte nachdenklich den Hörer auf. Hatte Ma Li Huo ihm nichts von dem Unfall geschrieben, weil sie ihn nicht beunruhigen wollte? Oder steckte etwas anderes dahinter? Was hatte der Taschendieb, dessen Revier doch eigentlich Kashgar war, in einem Bus von Khotan nach Urumqi zu suchen? Hatte er es auf Ma Li Huo abgesehen gehabt? Und wenn ja, war es dann nur, weil das Schicksal ihm eine zufällig im Bus sitzende Touristin mit einem gut gefüllten Geldbeutel beschert hatte? Oder hatte er gewusst, dass Ma Li Huo diesen Bus nehmen würde? Aber wie sollte er es gewusst haben – und warum sollte sie ihn interessieren? Das Kästchen? Gab es das Kästchen überhaupt, oder verrannte er sich in ein Hirngespinst? Der Gast aus Ma Li Huos Nachbarzimmer im Seman-Hotel hatte die Stimmen nicht sehr deutlich vernommen, vielleicht hatte er sich verhört. Er musste auch bedenken, dass Ma Li Huo laut Zeugenaussagen hinter dem Taschendieb hergehumpelt war und versucht hatte, ihn von seinem Selbstmord abzuhalten.
    Yandao rieb sich die Stirn. Fest stand, dass Ma Li Huo vom Pech verfolgt war. Er empfand es mehr und mehr als seine persönliche Aufgabe, sie zu beschützen. Doch leider wollte sie sich nicht beschützen lassen. Und das Schlimmste: Sie war schon wieder verschwunden.
    * * *
    Etwa zur gleichen Zeit beugte sich Marion auf dem Markt von Zhangye über eine Plastikkiste. Dutzende von Schildkröten lagen übereinandergestapelt in der großen Kiste und versuchten verzweifelt, ins Freie zu gelangen. Sie zogen sich mühsam an den Wänden hoch, aber gerade wenn sie den Hals recken und über den Rand schauen konnten, fielen sie wieder in ihr Gefängnis zurück. Die hilflos auf dem Rücken zappelnden Kreaturen stimmten Marion traurig: Die Tiere waren mit Sicherheit für den Kochtopf bestimmt. Die Chinesen behaupteten, sie würden alles essen, was langsamer liefe als der Koch. Was bedeutete, dass die Schildkröten eine noch geringere Chance hatten als die Hühner, Schlangen, Kätzchen und anderen Kleintiere, die in engen Käfigen ihrer Schlachtung entgegensahen.
    Marion konnte sich nicht an die in China herrschende Gleichgültigkeit gegenüber Tieren gewöhnen. Auch wenn sie sich beim Bummel über die Freiluftmärkte des Landes immer wieder sagte, dass man hier nur sah, was in Deutschland unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, stand sie immer wieder kurz davor, die Tierhändler anzuschreien. Sie wusste, dass es sinnlos war. Die Leute würden sie nur verständnislos ansehen und sich bestätigt fühlen, dass Ausländer nicht ganz richtig im Kopf waren.
    Eine der auf den Rücken gefallenen Schildkröten hatte sich wieder auf den Bauch gedreht und unternahm umgehend einen neuen Fluchtversuch. Als Marion das Tier herausnahm, zog es erschrocken Kopf und Beine in den Panzer und beobachtete sie aus kleinen schwarzen Augen. Sobald sie ihren Finger vor den Panzer hielt, schoss der Kopf

Weitere Kostenlose Bücher