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Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselma Heine
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mir.«
    »Sie vergessen, daß Krieg ist, Monsieur Füeßli.« Françoise wurde streng. »Eine Krankenschwester, die an die Front geht, ist keine Frau.«
    In diesem Augenblick flammte und krachte ein Blitz zu Boden, der den Rasen vor ihnen zu spalten schien. Zugleich rauschte es und klatschte von allen Seiten. Heftiger Regen ging nieder. So laut, daß Françoise nicht verstand, was Füeßli sagte. Sie mußten aus der Allee herauslaufen, die, kronenlos, keinen Schutz gab. Dieses Rennen, wobei Françoise ihr Kleid sehr hoch gezogen, sodaß sie wie ein kleines kurzröckiges Mädel dahinsprang, zerriß Ärger, Liebesglut und jede Art von Pathos. Sie mußten beide lachen. Dann liefen sie unter das Vordach eines Heuhäuschens, das Schutz bot. In der Regenrinne sang und gluckerte das Wasser, strömte aus und bohrte tiefe Löcher in den roten Boden, aus dem es nun wie Blutstropfen emporspritzte. Eine fahle Helligkeit kam von irgendwo her und machte alle Blatter leuchten. Die beiden jungen Leute standen eng zusammengedrängt, dampfend vor Nässe da. Wieder fragte Pierre etwas, das Françoise nicht hören konnte. Er mußte laut schreien.»Lassen Sie sich mit mir trauen,« rief er in den Regen hinein. »Das löst alle Schwierigkeiten. Als Frau eines Schweizers, als Neutrale, können Sie reisen, wohin Sie wollen.«
    Sie mußte lachen. An seinem Gesicht aber merkte sie, daß es ihm ernst war.
    »Alles würde einfach sein, einfach und schön,« schrie er wieder.
    Françoise sah ihn an. Es rührte sie, wie der große Mann da neben ihr nichts anderes dachte als ihr zu dienen, ihr zu helfen.
    »Ich liebe einen andern,« sagte sie, aber im Tosen des Regens hörte er es nicht. Sie hatte nicht den Mut, dieses schmerzliche Geheimnis laut herauszurufen. So standen sie und warteten stumm. Pierre hatte seinen Rock ausgezogen und ihn Françoise umgehängt, deren dünnes Kleid wie eine nasse Haut an ihr klebte. Er nahm jetzt seinen Hut ab und ließ den Regen davon abtriefen. Barhaupt, in Hemdsärmeln, mit braunem Gesicht und glänzenden Augen sah er bäuerlich aus und gesund. Ein wenig trotzig.
    Françoise war sich selber gram, daß sie ihn quälte.
    »Verzeihen Sie mir,« sagten sie beide zueinander, da sie sich trennten ...
    In ihrem Zimmer dann wollte Françoise noch weiter denken, aber von einer plötzlichen, unentrinnbaren Müdigkeit gelähmt, vermochte sie kaum noch die Kleider zu lösen, stieg daraus heraus wie aus einem Gehäuse und glitt sogleich in ihr Bett hinein, in dem sie versank wie in einem lau beruhigenden Wasser. Nur gegen Morgen träumte sie, sie fahre mit Heinrich in einem jener grünen zweirädrigen Karren, in dem die Gaukler fahren, und Pierre Füeßli stand bei dem Pferd, gab ihm Heu zu fressen und weinte. Sein schöner, brauner Bart war ganz spitz zusammengeklebt von seinen Tränen.
     
    Hortense war es, die am nächsten Morgen zu Françoise kam, um die Unterredung vom Abend fortzusetzen. Pierre hatte in aller Form bei ihr zum zweitenmal um Françoise geworben, und sie kam nun, mit ihr zu sprechen.»Du mußt ihm mitteilen, daß ich einen andern liebe,« sagte Françoise.
    Hortense machte ein unzufriedenes Gesicht. »Wozu die Romantik, meine Liebe? Sie kann nur dazu dienen, eure Ehe unglücklich zu machen.«
    »Unsere Ehe! Aber was denkst du? Du, die du doch weißt –«
    »Ich weiß, meine Liebe, daß es ein großes Glück für dich ist, in diesem kritischen Augenblick die Hand eines Mannes ergreifen zu können, der dich liebt und bereit ist, dich glücklich zu machen. Es wird ganz in deiner eigenen Macht liegen, ob ihm das gelingt oder nicht.« Sie stand da in der doppelten Würde, die ihr Zustand ihr gab, und im Bewußtsein, Mutter und Vater bei Françoise vertreten zu müssen, und wie sie so redete, erinnerte Françoise sich an die Worte, die ihre Mutter ihr einmal gesagt hatte: »Das persönliche Glück einer Frau ist es nicht allein, auf das es ankommt bei der Gründung einer Ehe. Wir Frauen haben Pflichten gegen den Staat, gegen Frankreich.«
    »Die Zeit ist ernst,« fuhr Hortense fort, »sei dankbar für das, was sie dir bringen will. Es bietet sich dir eine Partie mit gesicherter Zukunft, um die dich jedes Mädchen beneiden kann. Wenn unser Vater zurückkehrt, wird er durch diese Heirat eine Freude genießen, die er durch sein Leiden wohl verdient hat.«
    »Ich kann es nicht,« sagte Françoise schwach, »schon Pierres wegen kann ich es nicht. Es würde ja nichts weiter sein als eine Form.«
    Hortense erhob

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