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Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselma Heine
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ihrem blassen Bübchen, dessen ganz helle glatte Haare über die schwarze Blusenschürze fielen, mit einem Spitzentaschentuch, das sie eifrig und ausgiebig mit Speichel näßte, das Gesicht zu reinigen. » Vois-tu, friand! Was häsch au' Honig z'schlecke, vaurien que tu es !«
    »Das Honigfäßchen für Madame de la Quine läuft ein wenig aus,« sagte sie in schlechtem Französisch zu Hummel, »und da hat dieser gamin sich das ganze Gesicht vollgeschmiert.«
    Man sah das Fäßchen, das in einer Waschschüssel gesichert war. Der Kleine hielt geduldig still und sah dabei mit mühsamem Seitenblick auf den wartenden Fremden. Heinrich entdeckte jetzt, daß im Hintergrunde ein kahlköpfiger Herr mit dunkelmHenriquatre in grauem Seidenröckchen saß und rauchte. Seine Zigarre leuchtete neben dem Bettvorhang aus dem verdunkelten Zimmerchen.
    »Tiens!« Der Herr stand auf, er gab dem Kleinen ein blankes Geldstückchen und küßte ihn auf das gesäuberte Gesicht, dann verbeugte er sich gegen Hummel. Célestine stellte mit majestätischer Handbewegung vor: »Monsieur de la Quine, Directeur de la maison centrals in Thurwiller – Monsieur Hümmelle.«
    Heinrich lachte. »Es scheint, die ganze Stadt kennt mich schon.«
    Die üppige Célestine lächelte. »Ah certaiement ! Die Stadt ist so klein. Und was mich betrifft – Monsieur hat ja doch die bagages mit dem Postillon hierher geschickt. Wenn Sie sie vielleicht benötigen –« Sie zeigte mit königlicher Gebärde auf Hummels Reisetasche, die da seit gestern früh ungestört und nutzlos dalag.
    »Monsieur wird sich einige Zeit aufhalten in Thurwiller?« Sie steckte die Schleife über ihrem enormen gelben Chignon schiefer, entschlossen, Konversation zu machen. » Quelle chance pour nous , es fehlt immer an Herren in solchem kleinen Nest, besonders an jungen und hübschen.« Hummel wurde zu seinem Ärger rot und gab es deshalb auf, das Kompliment zu erwidern, was ihm, namentlich in Gegenwart des sich so häuslich gebärdenden Herrn, schwer gefallen wäre. »Ich darf wohl?« sagte er statt dessen und griff nach einem an ihn adressierten Brief seiner Mutter aus Jena, der, bereits mit allerlei schwarzen Fingerspuren punktiert, einsam auf der Schranke lag.
    » Oh oui , i vergaß! Man verplaudert sich so leicht, wenn einmal Gelegenheit dazu kommt.«
    »Nun, Sie haben aber doch hier Militär?« sagte Hummel und wies auf einen hübschen jungen Offizier, der hineinlächelte.
    » Oh quant à ça , unsere Garnison, an die wir uns gewöhnt hatten, zieht ab. Neun Offiziere!« Sie machte Madonnenaugen zu dem Direktor hin.
    »Mademoiselle Célestine sollte nach Mülhausen gehen,« sagte Monsieur de la Quine etwas sarkastisch. »Da ist heute Militärgenug. Die Fabrikanten dort haben das treizième aus Hüningen, das hierher kommen sollte, bei sich festgehalten wegen des Streiks. Man veranstaltet einen bal champêtre, j'en suis sûr !«
    Er hatte den kleinen Charles auf den Schoß genommen und zog dessen parfümierte Haarsträhnen durch die Finger. Das Kindergesicht mit den nahe beieinanderstehenden braunen Augen schien eine verkleinerte Kopie des großen da über ihm. Die schöne Célestine fuhr fort, Hummel wie einen Besucher zu unterhalten. Ihr Bruder, Monsieur Napoléon Cerf aus Kolmar, sei seit gestern hier, sagte sie. »Sie werden ihn kennenlernen. O, ein geistvoller Mann.«
    »Und ein Mann von Chancen, un jeune homme digne ,« fügte de la Quine hinzu, so gut er es unter des Kleinen Hand, der ihm den Schnurrbart zauste, vermochte. »Unser Kandidat für die Wahlen des Bezirkes. Un homme plein d'esprit et de dévotion. «
    Mademoiselle fuhr fort: Monsieur Cerf sei gekommen, hier und in der Umgegend einige Versammlungen zu halten, ja, und nun sei jedermann mit anderen Dingen beschäftigt. Die Ernte, die bei dieser Hitze früher fallen würde als gewöhnlich, »und dann der große Streik. O, das hat viel Einfluß auf die Meinung der Partei.«
    Der Herr Direktor lächelte. »Sie sehen, Monsieur, unsere Damen haben ein neues Mittel gefunden, reizend zu sein. Sie politisieren. Aber Monsieur hat seinen Brief zu lesen, wir dürfen ihn nicht stören.«
    Hummel trat ans Fenster. Das Schreiben seiner Mutter war nur kurz und enthielt hauptsachlich praktische Fragen und Anweisungen. Am Rande stand noch: »Bleib' nur recht lange und erlebe viel Schönes! Ich erwarte keine langen Briefe von Dir, Du weißt, ich freue mich an allem, was Du genießest, auch wenn ich keinen Teil daran habe.«
    Am liebsten

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