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Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselma Heine
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Frankrich a neu engagement g'sucht, jo, bon soir ! Se han mi vertröschtet, i soll widderkumme in zwei Monat, in sechs. O, ces messieurs de l'administration française, die han Zitt in ihre bureaux . Awer fir so Litt wie mir, – sechs Monat ohne payement, c'est mourir de faim, tout simplement . D'rno han i mi g'frogt, ob réellement die devoirs von 'm citoyen größere importance han als die devoirs von 'm Familienvatter.« Er schwieg einen Augenblick, die Augen gesenkt, daß die Lider hell und unheimlich in dem braunen Gesicht standen.
    »I han mine Wälder arg gern g'ha,« fing er wieder an, »i hätt's schier net könne iewers Herz bringe, sie zu verlosse. D'r Babbe isch Melker g'si in Metzeral, d'Muetter hat au noch g'lebt un – eh bien, ich han mi dezidiert do in d' Nocherschaft z'kumme un han die franzeesche Wälder iewernumme uf Rechnung vom ditsche gouvernement, je suis resté, i bin bliewe.« Er steckte beide Hände in die Taschen und richtete sich trotzig auf.
    »Wir verstehen Euch ganz gut, Monsieur Schmelzle,« sagte Pierre beschwichtigend, »wir haben's gradso gemacht.«
    Der Melker machte eine abwehrende Bewegung, »'s isch net 's glieche, Monsieur, net's glieche. Monsieur hat netDienscht g'numme bi de Schwowe, Monsieur isch net renégat worde, Monsieur hat's net notwendig g'ha.« Er lachte wieder auf. »Z'erscht 's isch alles guet gange, 's gitt iewerall rechtschaffene Litt, même parmi les Allemands ». M'r het sich ne z'beklage g'ha, 's isch wohr. Iewer d'Ditsche net, awer –« Seine Stimme nahm plötzlich etwas Wildes an, das erschreckte. »Awer d'Elsasser! Wie d'Wölf sin se um mich ummeg'schliche. Mache han se m'r jo nix könne, mir salwer, – awer mine arme Kinder! Daß se ewe net verhungere, dofir han i sorge könne, daß se ihne awer 's Lawe verleidt han mit ihrem Haß und ihrer Verfolgung – d'rgege han i nix mache könne, i han's halt üshalte müsse. Awer uf d' letscht – mi Maidele isch ins Wasser gange um das!«
    Er schrie es heraus, daß die Planken bebten. »Se han's in d'r Tod g'jagt, ces messieurs, ces lâches !« – er suchte ein schrecklicheres Wort – »ces Alsaciens!« brüllte er endlich heraus. Er schüttelte beide Fäuste gegen das Gebirge hin. Man hörte seinen keuchenden Atem.
    »D'rno han i mei Sach ufpackt un bin ins Frankrich kumme,« sagte er dann still, wie gleichgültig. »I han's métier vom Babbe aag'fange.«
    »Und Ihre Söhne?« fragte Pierre.
    »'s sin Ditsche g'si. Ihr Vatter isch jo d'r employé g'si vom ditsche gouvernement . Awer d'rno – se han's net üshalte könne mit aller Fiendschaft um se umme. Se sin furtg'loffe in d' légion d'étrangers . No, un wenn einer vo dort z'ruckkummt, so hört er d'r Kuckuck nimme lang rufe. Hinter dem kann m'r Ame sage, sell weiß m'r jo.« Seine Augen sahen jetzt geradeaus, hart, trocken, wie zu Ende geweint.
    Paul trat wieder zu ihm heran. Er war erschüttert und sich selber gram darüber, denn er liebte die Selbstbeherrschung. Er sah auf seine Mutter, die still weinte, auf Onkel Armand, der gepeinigt mit dem Fuße wippte, und hörte dem Vater zu, der mit dem Melker darüber sprach, wie man ihm vielleicht seine Söhne aus der Fremdenlegion lösen könne. Und er gelobte sich selbst, sich niemals hineinzwingen zu lassen indas grauenhafte Märtyrertum inmitten des derben, schweren und fanatisierten Elsaßvolkes. Elastisch reckte er sich auf.
    Ernsthaft und schweigend verließen sie alle die Baracke.
    » Oh non, monsieur, mir sin jo alle zwei Alsaciens, « sagte der Melker, als ihm Pierre ein »pourboire« für die Besichtigung in die Hand drücken wollte ...
    »Wie ihr lange bleibt,« sagte Hortense, »und ihr seht ganz verstimmt aus. Habe ich euch nicht prophezeit, er würde euch langweilen? Für die Wasserspiele ist es nun zu spät geworden,« fuhr sie fort. »Ich habe die Kinder mit Louison hingeschickt. Schade, ich hätte gern ihre Freude dabei mit angesehen.« Sie blickte dabei verdrießlich auf Armand. Der aber, sich geschützt und gestützt fühlend durch die Gäste, summte vor sich hin:
    Reprends ton petit môm' de môme,
je suis dans mon royaume.«
    Er war wieder vollkommen vergnügt.
    Man beschloß, ins Kasino zu gehen zum Konzert.
    Der Kasinogarten war dicht gefüllt. Auf dem Platz zwischen dem Musikpavillon und dem Gesellschaftshause saß die elegante Welt: Schloßdamen, Deputierte, Kokotten, Offiziere, Beamte, ehrbare Bürgerfrauen. Die Frauen in ihren weißen Holzstühlen waren sich trotz der

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