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Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselma Heine
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Kamm an Lucile. Zuletzt gewann er noch einen Blechomnibus, auch der mit einer Inschrift:
    » Excusez, daß i's sage muß,
wann's d'r au net sollt' g'falle:
Din Herz ischt wie – an Omnibus,
es steht halt druf: für alle.«
    Den Vers las er nicht vor.
    Man ging jetzt wieder in der alten Ordnung hintereinander, wegen des Gedrängs Arm in Arm. Als Heinrich in Françoisesliebem Gesicht nach neuer Freude suchte, bemerkte er eine Art Erschrecken. Der Wendung ihres Kopfes folgend, blickte er sich um, sah aber nichts als ein Gefährt, das er als Blanche de la Quines Kabriolett erkannte. Jetzt erhob sich die junge Frau wie ganz überrascht im Wagen, sie winkte, man möge auf sie warten. Mit der kleinen Berthe an der Hand stieg sie eilig aus und war, mit einer Rücksichtslosigkeit vorwärtsdrängend, die ihrer eleganten Toilette nicht förderlich sein konnte, in ein paar Schritten bei der Balde-Gesellschaft.
    »Quelle chance!« sagte sie ganz atemlos. »Ich ahnte nicht, daß Sie hier seien, glaubte Sie ganz friedlich zu Haus in Thurwiller. Ich fürchtete schon, mich hier entsetzlich zu langweilen, aber petite Berthe ließ mir keine Ruhe, ich mußte mit ihr hierher. Nicht wahr, mon chat bleu, mon trésor !«
    Petite Berthe sah mit großen erstaunten Augen auf: der Blick ihrer Mutter ruhte hart auf ihr, trotz der lächelnden Lippen. Das Kind senkte den Kopf, das französisch vorgewölbte Mündchen zitterte leise. Françoise hatte sich von Hummels Arm gelöst, sie nahm die Kleine bei der Hand, beugte sich herab und küßte sie. Hummel nahm des Kindes anderes Händchen. Wie Vater und Mutter gehen wir, dachte er behaglich. Ihnen voran drängte die Gruppe Dugirard, Blanche, Hortense und Lucile durchs Gewühl. Victor Hugo hatte sich in seiner Verzweiflung zu Blanc gesellt, der still beobachtend umherblickte. Bunt genug war das Bild und wurde mit jedem Augenblick lebendiger. Immer mehr drängte die derbe, deutsche Fröhlichkeit die zierlicheren Allüren der vornehmeren Kilbegäste in Verteidigungszustand. Auch Blanche de la Quine zog ostentativ abwehrend ihr Kleid eng um sich zusammen. Überdies gewann sie dadurch Gelegenheit, ihre hellen, knappen Stiefelchen und die Spitzenvolants ihrer Balayeuse zu enthüllen. Sie wandte sich beständig zu Heinrich zurück, befragte sein Urteil und erklärte. Ihm war das fast lästig, er hätte lieber sich still treiben lassen, ohne selber in Aktion zu treten; der kleine warme Körper des Kindes schien eine Kette zu bilden, die ihn mit Françoise verband und ihm in all dem Lärm undGedränge eins Heimat gab. Beinahe pflichtmäßig, weil er sich ja einbildete, das Französische hier bewundern zu sollen, freute er sich an Luciles kleinen, zierlichen Schritten, an ihrer schmalen Taille über dem weitabstehenden weißen Kleide und mehr noch an Madame Blanches selbstbewußter Erscheinung. Ihr preziöser Gang, die Bewegung ihrer Schultern, das unregelmäßige Flattern des schwarzen Suivez-moi =Bändchens, das sie am Halse trug, interessierte ihn. Jetzt hob die junge Frau beide Arme, ihren Hut, dem ein Arbeiterellbogen einen Stoß gegeben hatte, wieder zurechtzurücken.
    »Ist er grade?« fragte sie und stand einen Augenblick, halb zurückgewendet mit gehobenen Armen, vor Hummel still, so daß Nachdrängende sie wie einen Kreisel umherwirbelten und sie dicht an Heinrichs Brust gedrängt würde. Ihr Haar hatte einen heißen Duft, der ihm unangenehm war. Sie lächelte und strich ihren Schlepprock glatt, der, straff nach hinten gebunden, trotz der Tournüre ihren ebenmäßigen Wuchs recht deutlich erkennen ließ. Halb ihrer stummen Aufforderung folgend, halb selber neugierig sah er ihr in das reizende Gesicht mit der kleinen amüsanten Nase und dem ein wenig zu flachen Munde. Ihre Augen strahlten ihm blau und dunkelfeucht daraus entgegen. Er fühlte ein leichtes Frösteln mitten in der Hitze.
    »Bin ich hübsch in diesem Hütchen, Monsieur Hümmelle, gefall' ich Ihnen?« fragte sie auf deutsch.
    »Entzückend,« sagte er gewissenhaft.
    Sie lachte und wandte sich befriedigt um. Von diesem Augenblick an beachtete sie ihn anscheinend nicht weiter. Er aber, wie er ihr nachschritt, fühlte ein peinvolles Ziehen an seinem Herzen, eine Unruhe, die ihm die Farbe nahm.
    Blanche de la Quine verlangte zu tanzen; man trat zu dem großen gedielten Tanzplatz, wo es jetzt schon laut und heiß zum Ersticken war. Oben auf der Tribüne blies Pfiffer-Schang zwischen den Fiedlern die Backen auf. Es waren eben »Drei allein«

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