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Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselma Heine
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angesagt, alle Paare gingen auf ihre Plätze zurück, nur ein hübscher Bursche in Hemdsärmeln und rotem Gilettanzte ernst und würdevoll mit einer Bäuerin, alt und plump unter ihren vielen Röcken.
    Hortense und Françoise hatten sich seitwärts auf die über Tonnen gelegten schwanken Bretter gesetzt, während Lucile mit Berthe zusah. Victor Hugo verschmähte das Vergnügen. Madame de la Quine plauderte mit Dugirard, Hummel stand neben Victor und betrachtete die zwei, die sich da in der Mitte drehten, seine frohe Stimmung war verflogen, alles schien ihm verzerrt und unnatürlich. Als er sich zu Berthe hinunterbückte, um ihr einen Bonbon aufzuheben, fiel ihm der kleine Blechomnibus aus der Brusttasche. Er trat darauf, bis er zerstampft war. Er blickte nach Françoise. Die aber sah gerade vor sich hin. Der Tanzplatz wurde wieder freigegeben, Blanche forderte Hummel auf, mit ihr zu tanzen, während Lucile mit Berthe herumhopste. Die Quine tanzte schlecht. Das erbitterte Heinrich. Aber sie war unermüdlich. Als sie drei Runden getanzt hatten und an ihren Platz zurückkamen, waren die anderen verschwunden. Sie fanden sie auch draußen nicht.
    »Sie werden nach der ›Sulzer Nas'‹ hinaufgegangen sein,« sagte Blanche. »Mademoiselle Françoise ist ja solch eine Naturschwärmerin. Und es ist ja auch wirklich hier unten unerträglich.«
    Heinrich folgte ihr zögernd. Er hätte sich lieber allein auf die Suche begeben, aber er fürchtete, unhöflich und plump zu erscheinen, und die schöne Frau, wie sie da elastisch, die Schleppe über den Boden ziehend, das Sonnenschirmchen wie einen Schild gegen Neugierige über der Schulter haltend, durch die Straße ging, schien sie ihm der Inbegriff von französischer Grazie und Eleganz, von allem, was seiner eigenen alemannisch schweren Natur der Gegensatz war.
    Sie stiegen zwischen den Rebbreiten steil empor, schmale kleine Wege, kamen an niedern Tannen vorbei, der Thymian duftete, der Felsboden brannte, hier und da blühte schon die Heide. Manche ging ohne sich umzusehen, fortwährend schweigend, voran. Die Stille zwischen ihnen und ringsum gab ihrem Beieinandersein den Schein von etwas Bedeutungsvollem;Hummel bäumte ein paarmal den Kopf zurück, als gelte es, Zügel abzuwerfen. Plötzlich, an einer Steinsenkung zwischen hohem, abgeblühtem Ginster blieb die junge Frau stehen, wandte sich um und zeigte Heinrich ein Gesicht voll unbeherrschten Verlangens. Irgendein leiser, fragender Ton kam aus ihrem Munde. Sie sah ihn aus weitgeöffneten Augen starr an, sekundenlang. Unwillkürlich neigte er sich vor, ihre Gesichter berührten sich, und mit einem kleinen, hohen und zitternden Laut, der an den Liebesschrei eines Tieres erinnerte, fiel sie ihm wie eine Berauschte in die Arme. Sie küßten sich, Heinrich war wie betäubt. »Pauvre ami, comme vous m'aimez,« sagte Blanche ein paarmal zwischen ihren Liebkosungen mit süßer Stimme.
    Endlich machte sie sich los. »Soyons sage, mon ami!« Sie sah sich um, ging ein paar Schritte vorwärts und setzte sich dann, vorsichtig ihr Kleid hochhebend, auf einen bemoosten Felsvorsprung. Sie griff nach ihrer Pompadour und holte ein Puderbüchschen hervor. Aufmerksam drehte sie den Kopf vor dem kleinen Spiegel im Puderdöschen hin und her, während sie sich mit dem Bäuschchen über Stirn und Wangen fuhr, dann netzte sie den Zeigefinger und zog sorgfältig die Brauenbogen nach. Langsam begann, sie, die Handschuhe wieder über ihre Finger zu streifen. »Mon amour, mon trésor, mon bijou,« sagte sie dabei zu Heinrich hin, der hinter ihr stand. Der betrachtete beschämt, wie sie so ruhig und zufrieden dasaß und sich putzte. Ihm selbst schlug das Herz, und seine Brust keuchte. Da er nichts antwortete, blickte sie auf. Eine leichte Betroffenheit kam in ihre Augen. »Ich habe dich erschreckt? Sag', habe ich vielleicht nicht artig genug abgewartet, bis du kamst?«
    Heinrich beugte den Kopf. Aber mitten in der Verachtung, die er für sich selbst empfand, war doch eine uneingestandene kleine Befriedigung. Die Liebesbezeigungen dieser hübschen französischen Frau stellten ihm gleichsam das Reifezeugnis für seine Weltläufigkeit aus und schmeichelten ihm. Die Quine nahm seine Hand zwischen die ihrigen. Sie lachte kokett auf. »Ah der Undankbare! Und Sie müssen wissen, mein Herr,wir hatten durchaus keine Zeit zu verlieren, die arme Françoise Balde alterte bereits sichtlich vor Eifersucht.«
    »Vor Eifersucht? Ja – haben Sie denn den Eindruck, daß sie

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