Die verborgene Seite des Mondes
und hatte ihre Wange gestreichelt. Gleich darauf hatte sie sich an seinem Gesicht zu schaffen gemacht.
Als Simon merkte, wie vertraut Julia und der andere Junge waren, verstand er die Welt nicht mehr. Zuerst spürte er einen merkwürdi gen Druck auf der Brust und plötzlich traf es ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Er hörte seinen Herzschlag im Kopf und seine Hände begannen zu zittern.
Julia kam jetzt lächelnd auf ihn zu. Simon kämpfte gegen das Cha os in seinem Inneren, weil er wusste, dass er in diesem Zustand kein vernünftiges Wort herausbringen würde. Seine Zunge schien ihm am Gaumen zu kleben wie ein dicker Klumpen.
Eigentlich war Simon völlig kaputt gewesen, nachdem die beiden kräftigen Bullen endlich wieder auf ihrer separaten Weide standen und der Zaun geflickt war. Trotzdem hatte er sich noch auf den Weg in die Berge gemacht, weil er wusste, dass Dominic bereits hier war. Simon hatte sich seit Wochen darauf gefreut, seinen Freund endlich wiederzusehen.
Pepper entdeckte Julia, humpelte ihr entgegen und umkreiste sie freudig bellend. Als er sie in seinem Übermut zwicken wollte, pfiff Simon ihn zurück.
»Hey«, sagte Julia, als sie Simon gegenüberstand. Ihre Zähne blitz ten weiß aus dem staubigen Gesicht. Sie sah müde und glücklich aus. Letzteres war offensichtlich der Begegnung mit diesem blon den Typen zuzuschreiben.
Das sollte dir vollkommen egal sein, Simon.
Er sah sie an, ganz kurz nur. »Hey«, brachte er mühsam heraus. Und noch ein unversehrtes Wort: »Schick.« Er deutete auf ihr T-Shirt.
Julia blickte an sich herunter. Ihr sonnengelbes T-Shirt war mit ge heimnisvollen dunklen Mustern bedruckt, die an Zeltschlingen erin nerten. Wieder lächelte sie.
Wie schön sie ist, wenn sie lacht, dachte Simon, und konnte kaum noch normal atmen.
»Sieht so aus, als w-äre es ein harter Tag g-g-gewesen.«
»Allerdings. Ich bin völlig erledigt. Jetzt eine leckere Pizza, ein hei ßes Bad und ab ins Bett.« Sie sah ihn an. »Und wie war dein Tag?«
»Bin so gut wie tot.«
Simon sah, wie Julias Augen sich verdunkelten, und bereute seine gefühllose Ausdrucksweise. Er hatte geredet, ohne zu denken. Ver legen stocherte er mit seinen Schuhen im staubigen Boden, über legte, was er sagen könnte, damit sie wieder lächelte.
»Ohne Pferde ist es schwierig, die Bullen von den K-K-Kühen zu trennen.«
Neugierig sah sie ihn an. »Wem gehören denn die Pferde, die manchmal auf die Ranch kommen?«
»Deinen Großeltern. Aber sie sind halb wild. N-ur ein oder zwei sind eingeritten. Es hätte den halben Tag gedauert, sie einzufan gen.«
»Kannst du denn reiten?«
»Klar.«
Simon entdeckte so etwas wie Bewunderung in ihrem Blick und diese Tatsache gab ihm etwas von seinem Selbstvertrauen zurück. Er streckte sich und drückte die Schultern nach hinten. Gerade woll te er Julia fragen, ob sie Pferde mochte, da sah er Hanna zielstrebig auf sie zukommen.
»Hallo, Simon«, sagte sie. »Sind die Bullen wieder da, wo sie hinge hören?«
»Ja. Alles w-ieder okay.«
»Das ist gut.« Hanna wandte sich an ihre Tochter. »Wie sieht es aus, Julia? Wollen wir nach Hause fahren? Ich bin müde und kaputt.«
Julia zuckte mit den Achseln.
»Wir sehen uns m-orgen«, sagte Simon.
»Ja. Dann bis morgen.«
9.
J ulia stieg zu ihrer Mutter in den Leihwagen und sah, wie der Hüne mit dem schwarzen Cowboyhut über den Platz lief, direkt auf Simon zu. Das dröhnende Lachen des Kochs schallte bis zu ihnen herüber. Simon wurde von Dominic umarmt und stürmisch begrüßt.
Julia wunderte sich. Ihr war es so vorgekommen, als ob Simon au ßer ihren Großeltern niemanden hatte, der ihm nahestand. Woher er den Koch wohl kannte? Vermutlich vom letzten Sommertreffen vor einem Jahr. Wie es aussah, schienen die beiden befreundet zu sein.
Simon wand sich lachend aus den Armen des großen Mannes und zusammen liefen sie zum Küchenzelt. Während Hanna den Wagen wendete, sah Julia, dass Simon begann, Kisten mit Lebensmitteln von Dominics Truck zu laden. Sie erinnerte sich an seine müden Au gen und daran, dass er vermutlich den ganzen Tag mit ihrem Groß vater auf der Ranch gearbeitet hatte. Doch anscheinend dachte Si mon nie an sich. Er war immer da, wenn andere ihn brauchten. Julia fragte sich, ob es auch jemanden gab, der für ihn da war.
Die Serpentinen zurück ins Tal zogen sich ewig in die Länge. Hin und wieder kam ihnen ein anderes Fahrzeug entgegen. Vermutlich alles Leute, die beim Aufbau des Lagers helfen und auf
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