Die verborgene Seite des Mondes
Zärtlichkeiten für Pepper und Loui-Loui übrig, egal wie staubig die beiden waren.
Julia mochte ihre Großeltern, auch wenn das bestimmt manchmal nicht leicht war. Sogar an Tommy hatte sie sich schnell gewöhnt. Sie hatte keine Angst vor Hässlichkeit und wandte sich nicht ab von Menschen, die ihr fremd waren oder wunderlich vorkamen.
Erst jetzt, als Simon keine Zeit mehr blieb, um irgendetwas auszu richten, gestand er sich ein, wie gern er Julia hatte und wie einsam er in den vergangenen Monaten gewesen war. Wenn er doch nur ein bisschen mehr Zeit hätte, um ihr das zu sagen. Aber nun würde sie abreisen und weder Wünsche noch Eingeständnisse konnten da ran etwas ändern.
Wie betäubt lenkte Simon seine Schritte in Richtung Wohnwagen. In ein paar Stunden würde Julia nicht mehr da sein. Dann war er wie der allein mit den beiden Alten und den Tieren, allein mit sich und seinen unausgesprochenen Fragen, Wünschen und Gedanken. Er würde wieder anfangen Selbstgespräche zu führen oder Pepper lan ge Vorträge zu halten, um das Gefühl für Worte nicht endgültig zu verlieren.
Eine unerträgliche Traurigkeit überfiel Simon, als er auf seiner Schlafcouch lag. Nicht einmal Peppers Anwesenheit vermochte ihn zu trösten. Er versuchte zu lesen, um sich abzulenken. Aber seine Gedanken schweiften immer wieder fort von den Zeilen. Die Buchstaben begannen zu tanzen und bald wusste er nicht mehr, was er eine Minute zuvor gelesen hatte.
Schließlich knipste Simon das Licht aus. Er schloss die Augen, doch einschlafen konnte er nicht. Im Wohnwagen war es heiß und stickig, trotz der beiden aufgeklappten Fenster. Und da war diese unerträgliche Spannung in ihm, die ihn immer wieder an Julia und ihre hübschen Brüste denken ließ. Es nahm ihm den Atem, wenn er sie vor sich sah. Stöhnend rollte sich Simon auf den Bauch, die Hän de zwischen den Beinen. Für ein paar Minuten war das die einzige Möglichkeit der Erlösung.
Aber auch danach fand er keine Ruhe. Bisher waren seine Wün sche auf einige wenige Dinge reduziert gewesen: ein gutes Buch, ein kaltes Mountain Dew, etwas Anständiges im Magen, ein trocke ner Platz zum Schlafen und die Berge für seine Wanderungen. Pep pers weiche Wärme, Pipsqueaks Zuneigung, ein Song von Walela, seiner Lieblingsband.
Seit Simon Julia kannte, waren seine Wünsche andersfarbig ge worden. Sein Körper wollte mit ihr zusammen sein. Er hoffte, sie würde ihn mögen. Nicht nur so, als jemanden, mit dem man sich wortlos versteht. Nein, er wünschte sich mehr: Er wollte ihr gefal len. Doch er wusste nicht, was er tun musste, damit sie ihn moch te.
Simon hatte sich nie Gedanken über sein Aussehen gemacht und wie es auf andere wirkte. Kleidung war ihm egal, sie musste bloß praktisch sein. Ihm fehlte sowieso das Geld, um sich etwas Neues zu kaufen.
Als er nach Eldora Valley gekommen war, hatten ihn die Mädchen im Ort mit unverhohlener Neugier betrachtet und ein oder zwei hatten ihn sogar angesprochen. Aber vor Aufregung hatte ihm jedes Mal die Stimme versagt, und wenn er zu stottern anfing, verflüch tigte sich das Interesse der Mädchen sehr schnell. Wer wollte sich schon mit einer Spottfigur abgeben?
Bei Julia war das anders. Sie hörte ihm zu und wartete geduldig, bis er fertig war mit dem, was er zu sagen hatte. Sie versuchte nicht, seine Sätze zu vollenden, wenn es zu lange dauerte. In ihrer Gegen wart war alles unkompliziert. Er konnte ihr nicht einmal böse sein, wenn sie über ihn lachte. Simon träumte von Julia. Er versuchte, es nicht zu tun, aber es half nicht.
In dieser Nacht wurde ihm klar, dass mit seinen Wünschen auch er selbst sich verändert hatte. Es verwirrte ihn, dass er plötzlich die Nähe eines anderen Menschen suchte. Dass seine Gedanken von diesem Menschen beherrscht wurden. Simon sehnte sich nach Ge fühlen, doch niemand hatte ihm beigebracht, wie man liebt.
13.
A da reagierte nicht mit überschwänglicher Freude auf den Wunsch ihrer Enkeltochter, noch weitere drei Wochen auf der Ranch zu bleiben. Aber sie lehnte es auch nicht ab. Hannas Bedin gung, dass Julia im Ranchhaus schlafen sollte, erwies sich jedoch als Problem. Zum ersten Mal sah Julia, unter welchen Umständen ihre Großeltern schliefen: Grandpa Boyd in einem kleinen dunklen Kabuff mit einem winzigen Fenster und Grandma Ada mit Tommy in den Ehebetten.
Der alte Mann bekam trotz seiner Taubheit mit, worum es ging. Er bot an, im Wohnzimmer auf der Couch zu schlafen, damit Julia sein Bett haben
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