Die verborgene Seite des Mondes
d-d-doch alles Schwachsinn«, sagte er.
»Aber weh tut es trotzdem, oder?«
»Geht schon wieder.«
Frank verschwand und kam mit einem kleinen Beutel voller Eis würfel zurück. »Gut kühlen«, sagte er, »dann schwillt sie nicht so an.«
Simon legte den Eisbeutel auf seine Nase und nach einer Weile ließ der Schmerz tatsächlich nach. Frank ging nach draußen, um den geschweißten Greifer auf den Truck zu laden, und Simon wank te auf die Toilette im hinteren Teil des Wohntrailers.
Im Spiegel begutachtete er den Schaden und was er sah, war nicht sehr ermutigend. Seine Nase, die seit einer Prügelei in der sechsten Klasse leicht nach links zeigte, hatte nun einen Knick nach rechts. Er versuchte, sie gerade zu rücken, aber es knirschte so schauerlich und der Schmerz sendete grellrote Blitze durch sein Hirn, dass er aufgab. Er wollte nicht in Franks Badezimmer in Ohnmacht fallen. Vor seinen Augen drehte sich alles und Simon klammerte sich am Rand des Waschbeckens fest, weil er Angst hatte umzukippen.
Seine größte Sorge galt Ada und dem, was er ihr erzählen sollte, wenn sie ihn so sah. Simon wollte vermeiden, dass die alte Frau etwas über den Zusammenstoß mit Jason erfuhr. Er hatte Angst, dass er dann nicht mehr auf der Ranch bleiben konnte, dem einzigen Zu hause, das er je gehabt hatte. Dem einzigen Ort, an dem er mit Julia zusammen sein konnte. Tränen des Zorns stiegen ihm in die Augen und er wischte sie mit seinem Handrücken weg.
Simon schlurfte zurück in Franks Küche. Er setzte sich und legte den Eisbeutel auf seine Nase.
Frank polterte durch die Tür. »Junge, Junge«, sagte er, »du musst bei Ada wirklich einen Stein im Brett haben, dass sie dich noch nicht davongejagt hat. Erst fackelst du ihren Ford ab und nun machst du dich an ihre Enkeltochter ran. Wie alt ist die Kleine überhaupt?«
»Fünfzehn.« Simon hustete . »Sie fuhr den Kombi, stimmt’s? « »W-oher weißt du das? « »Ich weiß es eben.« Frank pfiff leise durch die Zähne. »Na, wen n
das keine Liebe ist. Du scheinst das Mädchen ja richtig gern zu ha
ben.« »Es stört sie n-icht, dass ich stottere.« »Na, mich stört es auch nicht. Das alleine kann es also nicht sein.«
Frank zwinkerte ihm zu. »Ich hoffe, du heulst mir später nicht die Ohren voll, wenn sie nicht mehr da ist. Liebe über den Ozean hin weg, das klingt mir sehr nach Hollywood.«
Das Telefon klingelte und Frank ging ran. »Ja, ich sag’s ihm.« Er
legte auf. »Ada«, sagte er. »Sie fragt sich, wo du bleibst.« Simon erhob sich stöhnend. Frank reichte ihm sein Hemd. »Besser, du ziehst das wieder an.« Simons T-Shirt war auf der Brust voller Blut. Er zog sein Hemd
über und versuchte, es zuzuknöpfen. Aber die Finger seiner Linken fühlten sich taub an. Frank half ihm. Er knöpfte das Hemd so weit zu, dass man die Blutflecken nicht mehr sehen konnte.
»Danke, Frank. « »Schon gut, Kleiner. War mir ein Vergnügen. « »Wo hast du eigentlich g-g-gelernt wie man einen Arm einrenkt? « »Ich war in der Armee. Sanitätstrupp. Da lernt man so einiges. «
Simon stieg in den Truck und gab Frank das Geld für den Greifer.
Frank steckte die Dollarscheine in seine Hemdtasche und schlug die Tür zu. »Kannst du überhaupt fahren?«, fragte er durch das offe ne Fenster.
»Ja, es geht schon.«
»Nimm dich vor Jason in Acht.«
»Ich werd mir Mühe geben.«
Julia kam aus der Toilette, als Jason das Haus betrat und sich in der
Küche eine Coke aus dem Kühlschrank holte.
»Hi«, sagte sie.
»Hi, Schwesterherz.« Er musterte sie ohne ein Lächeln und Julia fühlte sich noch unbehaglicher, als sie es die ganze Zeit schon tat. »Was machst du denn hier?«, fragte Jason.
»Wir drucken Flyer für den Protestmarsch am Wochenende und Granny schreibt E-Mails.«
»Ist gar kein Auto draußen.« Er deutete mit der Coladose zum Fenster.
»Wir sind mit dem Truck hier. Simon ist bei Frank und muss was abholen. Er wird sicher gleich kommen.«
»Ach ja?« Jason leerte die Cola und schleuderte sie in den Müllei mer.
»Kann ich dich mal was fragen, Jason?«
Er sah sie an, seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen. »Gehen wir raus, okay? Mom erlaubt nicht, dass ich hier drinnen rauche.«
Sie gingen hinters Haus und Jason setzte sich auf die Kinderschau kel, die dort stand. Er zündete sich eine Zigarette an, blies den Rauch nach oben und sagte: »Schieß los. Wo drückt’s denn?«
Julia ließ sich auf der zweiten Schaukel nieder und hielt sich an der Kette fest. Jason
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