Die verborgene Seite des Mondes
zurück.«
22.
A da setzte sich selbst hinter das Steuer, damit Simon seine Nase kühlen konnte. Julia war überzeugt davon, dass ihre Großmutter ihm seine Geschichte ebenso wenig abnahm, wie sie es getan hatte. Aber Ada sagte nichts. Julia spürte die wortlose Missbilligung in ih rem Schweigen.
Wieder zu Hause, schickte die alte Frau Simon in seinen Wohnwa gen, damit er sich hinlegen konnte. Das sah ihr gar nicht ähnlich und Julia wunderte sich über die plötzliche Nachsicht ihrer Groß mutter. Vielleicht lag Simon ihr doch mehr am Herzen, als es den Anschein hatte.
Den Nachmittag über saß Julia in der Küche und faltete Handzettel für den Protestmarsch. In Gedanken war sie jedoch bei Simon. Ihr Ärger war verraucht. Sie sehnte sich danach, zu ihm zu gehen und für ihn da zu sein. Was war nur passiert? Warum hatte er sie belo gen?
Mehrmals versuchte Julia, ihrer Großmutter unauffällig zu entwi schen, aber Ada hielt sie mit immer neuen Aufgaben in der Küche fest. Da sie ihre Granny nicht noch mehr verärgern wollte, als sie es ohnehin schon war, blieb Julia und erledigte ihre Arbeiten.
Das Telefon läutete beinahe ununterbrochen. Meistens waren es Leute, die Einzelheiten über das Friedenscamp und die Protestakti on wissen wollten. Journalisten riefen an und versuchten, Ada für Telefoninterviews zu gewinnen, und zwischendurch meldete sich immer wieder Ainneen.
Irgendwann, als ihre Großmutter zum vielleicht hundertsten Mal ans Telefon ging, bekam Julia mit, dass Frank am anderen Ende der Leitung war, und horchte auf. Es war ein sehr einsilbiges Telefonge spräch. Das Gesicht ihrer Großmutter wurde plötzlich fahl unter der dunklen Haut und sie sah Julia mit großen Augen an. Schließlich legte sie auf und setzte sich zu ihrer Enkeltochter an den Küchentisch.
»Ich glaube, du bist mir eine Erklärung schuldig, Julia. Warum, zum Teufel, habt ihr mir nicht die Wahrheit gesagt?«
Julia hob die Schultern und sah trotzig auf. »Ich kenne die Wahr heit nicht. Simon hat mir nichts erzählt. Was ist denn nun passiert?«
»Das ist eine ziemlich schlimme Geschichte«, antwortete Ada. »Ja-son hat Simon nach Strich und Faden verprügelt. Sein Arm war aus gerenkt.«
Julia spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. Jason hatte Si mon zusammengeschlagen und danach mit ihr auf der Schaukel ge sessen und geplaudert, als wäre nichts geschehen? Wie konnte er nur so kaltschnäuzig sein? Und sie hatte auch noch Mitleid mit ihm gehabt! Wütend ballte sie die Fäuste unter dem Tisch.
»War Simon . . . ich meine, wer hat . . .?«
»Frank hat den Arm wieder eingerenkt.«
Julia brauchte einen Moment, um das alles zu verarbeiten. »Wa rum hat Jason das getan, Granny?«, fragte sie. »Warum ist er so? Wieso stört es ihn, dass ich mit Simon zusammen bin?«
»Es geht um Geld, Julia. Um viel Geld.«
Julia hatte es die ganze Zeit geahnt und doch nicht wahrhaben wollen. »Erklär es mir, Granny. Ich habe ein Recht darauf, es zu wis sen.«
Ada seufzte tief. »Jason und seine Mutter wollen, dass Grandpa und ich die Ranch an die Leute von der Goldmine verkaufen. Mit dem Geld könnten wir unsere Schulden bezahlen und es bliebe im mer noch eine Menge übrig, um gut davon leben zu können. Ohne Simons Hilfe hätten wir schon längst aufgeben müssen. Deswegen mag Jason ihn nicht. Und nun tauchst du plötzlich auf, noch jemand, der Anspruch auf die Ranch hat.«
»Das ist doch Schwachsinn«, bemerkte Julia irritiert. Dass sie ir gendwelche Ansprüche auf die Ranch haben könnte, war ihr bisher gar nicht in den Sinn gekommen.
Ada lachte freudlos. »Ja, vielleicht. Aber Jason sieht das anders. Für ihn bist du eine Bedrohung. Vor allem zusammen mit Simon.«
Nach und nach wurde Julia klar, dass ihre Großmutter recht haben könnte. Die Puzzleteile fügten sich langsam zu einem Ganzen und das Bild, das entstand, gefiel ihr überhaupt nicht. Mit großer Wahr scheinlichkeit war ihre Anwesenheit auf der Ranch tatsächlich der Auslöser für Jasons aggressives Verhalten. Anfangs war er nett zu ihr gewesen, weil er geglaubt hatte, dass sie nach der Zeremonie wieder verschwunden sein würde. Stattdessen war sie geblieben und hatte sich auch noch in Simon verliebt.
»Warum hast du zugelassen, dass ich geblieben bin?«, fragte sie schließlich vorwurfsvoll. »Du wusstest doch, was es in Jason auslö sen würde.«
Ada hob den Kopf und sah Julia an. »Ich habe gemerkt, dass es dir auf der Ranch gefällt und wollte dich besser
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