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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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die sie nicht beantworten konnte – also alles, was komplizierter war als ihr Name oder der Hochzeitstermin. Ich hätte sie gleich am Anfang abweisen sollen, aber ich mochte Mark, ihren Verlobten, vermutlich der Grund, warum ich den Auftrag annahm. Er neckte sie auf eine Art und Weise, die eher aufbauend als abwertend wirkte.
    Ich nahm beim ersten Läuten ab. Während ich noch überlegte, ob ich sie zu einem Besuch auffordern oder Zeitnot vorschützen sollte, ging ich durchs Schlafzimmer und sah sie auf der anderen Straßenseite am Randstein sitzen. Sie blickte zu mir hinauf. Mark saß neben ihr. Sie hatte die Fäuste geballt, öffnete jedoch eine Hand und winkte. Ich zog das Fenster hoch und legte auf.
    »Okay, einen Moment bitte«, sagte ich wie damals Natalya, als ich zum ersten Mal an ihre Tür geklopft hatte. Und wie Natalya ließ ich mir Zeit. In der Küche machte ich eine Tasse Tee, pochierte Eier und Toast. Wenn wir mit den Sträußen wieder von vorne anfangen mussten – und dessen war ich ziemlich sicher –, würde ich vermutlich die nächsten vierundzwanzig Stunden durcharbeiten. Deshalb aß ich gemächlich und trank zwei Gläser Milch, bevor ich die Treppe hinunterstieg.
    Als ich die Tür öffnete, fiel Caroline mir um den Hals. Sie war zwar schon um die dreißig, trug ihr Haar aber zu zwei langen Zöpfen geflochten, eine Frisur, die sie jünger wirken ließ. Sie setzte sich mir gegenüber an den Tisch, und ich stellte fest, dass sie Tränen in den blauen Augen hatte.
    »Morgen ist die Hochzeit«, verkündete sie, als ob ich das vergessen haben könnte. »Und ich glaube, ich habe alles falsch gemacht.« Sie schnappte nach Luft und schlug sich mit der flachen Hand auf die Herzgegend.
    Mark nahm neben ihr Platz und klopfte ihr mit der geballten Faust auf den Rücken. Sie lachte und bekam Schluckauf. »Sie gibt sich Mühe, nicht zu weinen«, sagte er. »Wenn sie so kurz vor der Hochzeit weint, sieht man das nämlich ganz bestimmt auf den Fotos.«
    Caroline lachte wieder, und eine Träne kullerte ihr aus dem Augenwinkel. Sie wischte sie mit einem manikürten Fingernagel weg und küsste Mark. »Er versteht nicht, wie wichtig es ist«, erwiderte sie. »Er ist Alejandra und Luis nie begegnet und weiß nicht, was während ihrer Flitterwochen passiert ist.«
    Ich nickte, als erinnerte ich mich an dieses Paar und die Blumen, die ich für die beiden ausgesucht hatte. »Also, was kann ich für Sie tun?«, fragte ich so geduldig wie möglich.
    »Kennen Sie die alte Frage, welche fünf Speisen Sie sich aussuchen würden, wenn Sie sich für den Rest Ihres Lebens ausschließlich davon ernähren müssten?« Ich nickte wieder, obwohl mir diese Frage noch nie gestellt worden war. »Nun, ich muss ständig daran denken. Die Blumen für eine Hochzeit auszuwählen ist, als ob man sich für die fünf Eigenschaften entscheidet, die man sich
für den Rest des Lebens
für seine Beziehung wünscht. Wie soll man sich da entscheiden?«
    »Bei ihr klingt
für den Rest des Lebens,
als handle es sich bei der Ehe um eine tödliche Krankheit«, merkte Mark an.
    »Du weißt genau, was ich meine«, erwiderte sie und betrachtete ihre Hände.
    Ich hörte ihnen nur mit halbem Ohr zu und dachte über die fünf Speisen nach, die ich mir aussuchen würde. Eindeutig Donuts. Musste ich mich auf eine Sorte festlegen oder konnte ich einfach nur gemischt sagen? Gemischt, beschloss ich, mit Schwerpunkt auf Ahornsirup.
    Caroline und Mark erörterten rote Rosen und weiße Tulpen, Liebe oder Liebeserklärung.
    »Aber woher soll ich wissen, ob du mich liebst, wenn du es nicht äußerst?«, fragte Caroline.
    »Oh, das wirst du schon noch feststellen«, meinte Mark, zog die Augenbrauen hoch und fuhr ihr mit den Fingern vom Knie an den Oberschenkel hinauf.
    Ich schaute aus dem Fenster. Donuts, Brathähnchen, Käsekuchen und Kürbissuppe, extrascharf. Noch eines. Wenn ich bei dieser Phantasiediät länger als ein Jahr überleben wollte, musste Obst oder Gemüse dabei sein, doch mir fiel nichts ein, was mir gut genug geschmeckt hätte, um es jeden Tag zu essen. Ich klopfte mit den Fingern auf den Klapptisch und blickte aus dem Fenster zu dem für diese Jahreszeit ungewöhnlich blauen Himmel.
    Und plötzlich kannte ich die Antwort und wusste, dass ich auf der Stelle losfahren musste, um Elizabeth zu sehen. Die Trauben waren reif. Ich hatte die warmen Herbsttage gezählt: zwölf am Stück. Und nun, da die Sonne in schrägen, staubflockengeschwängerten

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