Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
Vom Netzwerk:
wasserfleckigen Seiten fiel, über meinem Wörterbuch und suchte nach den passenden Blumen.
    Die Linde stand für die eheliche Liebe, war aber in meinen Augen nicht ganz das Richtige, denn die Definition las sich eher wie eine Schilderung der Vergangenheit als wie eine zukünftige Verheißung. Außerdem gab es da noch die Schwierigkeit, eine Linde zu bestimmen, einen kleinen Zweig abzuknicken und Annemarie zu erklären, warum sie diesen anstelle eines Blumenstraußes auf den Esszimmertisch stellen sollte. Nein, sagte ich mir, mit einem Lindenzweig würde es nicht klappen.
    Als Natalyas Band unten anfing, ihre Instrumente zu bearbeiten, griff ich nach den Ohrstöpseln. Die Seiten des Buches auf meinem Schoß vibrierten. Ich stieß auf Pflanzen, die Zuneigung, Sinnlichkeit und Freude symbolisierten, doch keine von ihnen erschien mir stark genug, um den leeren Ausdruck aus Annemaries Augen zu vertreiben. Zunehmend verzweifelt, war ich schließlich bei der letzten Blume im Buch angelangt und wandte mich wieder dem Anfang zu. Ich war sicher, dass Grant die Antwort kannte, konnte ihn aber nicht fragen. Die Frage allein wäre schon zu intim gewesen.
    Während meiner Suche fiel mir ein, dass ich einfach einen kühnen, bunten Strauß für Annemarie zusammenstellen und, was seine Bedeutung anging, lügen konnte, falls ich das Richtige nicht fand. Es waren ja nicht die Blumen selbst, die die Fähigkeit besaßen, Symbolik in Wirklichkeit zu verwandeln. Ich hatte eher den Eindruck, dass Earl und auch Bethany mit einer Veränderung gerechnet hatten, als sie mit einem Strauß nach Hause gegangen waren. Und dann hatte der Glaube an diese Möglichkeit dazu geführt, dass tatsächlich etwas geschah.
    Ich kam zu dem Schluss, dass es besser war, Gerbera in braunes Papier zu wickeln und zu behaupten, dass sie für die sexuelle Erfüllung standen, als Grant um seine Meinung zu diesem Thema zu bitten.
    Also klappte ich das Buch zu, schloss die Augen und versuchte zu schlafen.
     
    Zwei Stunden später stand ich auf und zog mich für den Markt an. Es war kalt, und noch während ich mich umkleidete und in meine Jacke schlüpfte, wusste ich, dass ich Annemarie keine Gerbera überreichen konnte. Bis jetzt war ich noch nie einer Sache treu gewesen, mit Ausnahme der Sprache der Blumen. Wenn ich nun anfing, auch in diesem Bereich zu lügen, würde es in meinem Leben nichts Schönes und Wahres mehr geben. Also hastete ich zur Tür hinaus und rannte zwölf Häuserblocks weit durch die Kälte, um Renata zuvorzukommen.
    Grant war noch auf dem Parkplatz und entlud seinen Laster. Ich wartete darauf, dass er mir Eimer in die Hand drückte, und schleppte sie hinein. In seinem Stand gab es nur einen Hocker. Ich setzte mich darauf. Grant lehnte sich an die Pressspanwand.
    »Du bist früh dran«, stellte er fest.
    Ich sah auf die Uhr. Es war kurz nach drei. »Du auch.«
    »Ich konnte nicht schlafen«, sagte er.
    Ich auch nicht, aber ich schwieg.
    »Ich habe eine Frau kennengelernt«, setzte ich an und wandte mich langsam von Grant ab, als wolle ich einen Kunden durchs Fenster bedienen. Doch der Markt war nahezu menschenleer.
    »Ja?«, meinte Grant. »Wen denn?«
    »Einfach nur eine Frau«, antwortete ich. »Sie kam gestern ins Flora. Letztes Wochenende habe ich ihrer Schwester geholfen. Sie sagt, ihr Mann wolle sie nicht mehr. Du weißt schon …« Ich konnte den Satz nicht beenden und verstummte.
    »Hmmm«, brummte Grant. Obwohl ich seinen Blick überall auf meinem Rücken spürte, drehte ich mich nicht zu ihm um. »Das ist schwierig. Schließlich reden wir hier vom viktorianischen Zeitalter. Damals wurde nicht viel über Sex gesprochen.«
    Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Schweigend beobachteten wir, wie der Markt sich füllte. Jede Minute würde Renata zur Tür hereinkommen, und dann würde ich in den nächsten Stunden ausschließlich mit den Hochzeitsblumen einer anderen Frau beschäftigt sein.
    »Begierde«, meinte Grant schließlich. »Ich würde es mit Begierde versuchen. Eine bessere Möglichkeit sehe ich nicht.«
    Mit Begierde kannte ich mich nicht aus. »Wie?«
    »Jonquille«, entgegnete Grant. »Das ist eine Narzissenart, die in den Südstaaten wild wächst. Ich habe zwar ein paar Zwiebeln auf Lager, aber sie blühen erst im Frühling.«
    Bis zum Frühling waren es noch Monate. Annemarie machte nicht den Eindruck, als ob sie so lange würde warten können. »Gibt es keinen anderen Weg?«
    »Wir könnten die Zwiebeln in meinem Gewächshaus

Weitere Kostenlose Bücher