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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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verfolgt.
    Grants Finger wanderten geschickt über meinen Körper. Er ging so zartfühlend mit mir um wie mit einem empfindlichen Schössling. Ich versuchte, mich auf seine Berührungen zu konzentrieren, auf die Wärme, die er meiner Haut entlockte, und auf unsere ineinander verschlungenen Körper. Doch unmittelbar unter dem Fenster befand sich der Rosengarten, und selbst als mein Körper auf Grants Liebkosungen ansprach, schien mein Verstand zwischen den Pflanzen, zehn Meter unter uns, zu schweben.
    Grant legte sich auf mich. Der Rosengarten stand in voller Blüte, die Blüten waren offen und schwer. Ich zählte und kategorisierte die einzelnen Sträucher. Bei den roten fing ich an und schritt weiter die Reihen entlang: sechzehn, von Hellrot bis zu einem kräftigen Scharlachrot. Grants Mund, offen und feucht, glitt zu meinem Ohr. Es gab zweiundzwanzig rosafarbene Sträucher, wenn ich die korallenroten nicht mitrechnete. Grant bewegte sich immer schneller, seine Lust siegte über die Rücksichtnahme, und ich schloss vor Schmerzen die Augen. Hinter meinen Augenlidern blieben die weißen Rosen ungezählt. Ich hielt den Atem an, bis Grant sich von mir rollte.
    Als ich mich zum Fenster umdrehte, presste Grant sich an meinen Rücken. Sein Herz pochte gegen meine Wirbelsäule. Ich zählte die weißen Rosen, die sich der untergehenden Sonne entgegenstreckten. Insgesamt siebenunddreißig, mehr als von jeder anderen Farbe.
    Ich holte tief Luft; meine Lunge füllte sich mit Enttäuschung.

16.
    D rei ruhelose Tage lang hinterließen wir Nachrichten für Catherine. Aloe,
Leid,
in einer Reihe von Spitzen wie ein Lattenzaun an ihr Küchenfenster geheftet. Blutrote Stiefmütterchen,
Denk an mich,
als Sträußchen in einem winzigen Glas auf ihrer Veranda. Zypressenzweige,
Trauer,
zwischen die Metallstangen des schmiedeeisernen Zauns geflochten.
    Aber Catherine ließ uns nicht wissen, ob sie die Botschaften erhalten hatte, und antwortete Elizabeth nicht.

17.
    M eine Kleider legten den Weg zu Grant im Kofferraum meines Autos zurück. Die Schuhe folgten. Dann die braune Decke und zu guter Letzt meine blaue Box. Das war alles, was ich besaß. Jeden Ersten des Monats zahlte ich weiterhin Miete an Natalya und hielt hin und wieder nach der Arbeit ein Nickerchen auf meinem weißen flauschigen Fußboden. Doch im Laufe des Sommers verbrachte ich immer weniger Zeit in dem blauen Zimmer.
    Mein Blumenwörterbuch war fertig. Nachdem ich es mit dem Foto von Catherines Zeichnung vervollständigt hatte, wanderten Elizabeths Blumenwörterbuch und ihr Pflanzenführer zum Verstauben oben in Grants Bücherregal. Die blaue und die orangefarbene Fotobox standen Seite an Seite auf dem mittleren Regalbrett. Grants Box war nach Blumennamen im Alphabet geordnet, meine nach Bedeutung. Zwei oder drei Mal in der Woche deckten Grant oder ich den Tisch mit Blumen oder legten dem anderen einen Stengel aufs Kopfkissen, aber wir zogen nur selten die Boxen zu Rate. Inzwischen kannten wir den Inhalt jeder Karte auswendig und stritten, anders als am Anfang, nicht mehr wegen der Botschaften.
    Eigentlich stritten wir gar nicht. Mein Leben mit Grant war still und friedlich, und ich hätte es genießen können, wäre da nicht die überwältigende Gewissheit gewesen, dass es bald enden würde. Der Rhythmus unserer gemeinsamen Tage erinnerte mich an die Monate vor der Adoptionsanhörung, als Elizabeth und ich die Reihen zwischen den Reben gejätet und Freude daran gehabt hatten, einfach nur zusammen zu sein. Jener Sommer mit Elizabeth war zu heiß gewesen, dieser mit Grant war es ebenfalls. Da der Wasserturm nicht über eine Klimaanlage verfügte, lief er mit Hitze voll wie mit einer Flüssigkeit. Abends streckten Grant und ich uns in verschiedenen Etagen aus und versuchten zu atmen. Die Schwüle fühlte sich an wie das Gewicht dessen, was unausgesprochen zwischen uns schwebte, und mehr als einmal ging ich zu ihm, in der Absicht, ihm meinen großen Fehler zu beichten.
    Doch ich konnte es nicht. Grant liebte mich. Seine Liebe war ruhig, aber beharrlich, so dass mir vor Freude und Schuldgefühlen schwindelte. Ich hatte seine Liebe nicht verdient. Wenn er die Wahrheit gekannt hätte, er hätte mich gehasst. Noch nie war ich mir einer Sache so sicher gewesen. Und meine Zuneigung zu ihm machte es nur noch schwerer. Wir waren uns immer nähergekommen, küssten uns zur Begrüßung und zum Abschied und schliefen sogar nebeneinander. Er streichelte mein Haar, meine Wangen und meine

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