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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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warum Elizabeth mich am Traktor hatte warten lassen, und mir fiel es wie Schuppen von den Augen: Das Scheitern der Adoption war nicht meine Schuld. Catherine steckte dahinter. Wenn sie zu Besuch gekommen wäre und mit Briefen oder Blumen geantwortet und Elizabeth nicht alleingelassen hätte, wäre alles anders geworden. Elizabeth wäre aus dem Bett aufgestanden. Dann hätte sie die Schleifen meines Kleides zugebunden, und wir wären, zusammen mit Grant und Catherine, zum Gericht gefahren. Voller Zorn stürmte ich in die Küche.
    »Ich hasse diese blöde Frau!«, brüllte ich.
    Elizabeth blickte auf und hielt die Hand vor die Sprechmuschel. Ich machte einen Satz auf sie zu und riss ihr das Telefon aus der Hand. »Du hast mir mein Leben kaputt gemacht, verdammt!«, schrie ich und knallte den Hörer auf die Gabel. Der Anruf war zwar unterbrochen, doch der Hörer prallte von der Gabel ab, landete auf den Dielen und baumelte schließlich etwa zwei Zentimeter über dem Boden. Elizabeth schlug die Hände vors Gesicht und lehnte sich an die Theke. Ich wartete darauf, dass sie etwas sagte, aber sie schwieg lange Zeit.
    »Ich weiß, dass du wütend bist, Victoria«, meinte sie endlich. »Und du hast allen Grund dazu. Sei nicht böse auf Catherine. Ich bin es, die einen Fehler gemacht hat. Gib mir die Schuld. Ich bin deine Mutter – weißt du denn nicht, dass Mütter dazu da sind?« Ihre Mundwinkel hoben sich ein Stück zu einem spöttischen, erschöpften Lächeln, und sie sah mir in die Augen.
    Ich ballte die Hände zu Fäusten, wippte auf den Fersen und zwang mich mit aller Macht, mich nicht auf sie zu stürzen. Trotz meines lodernden Zorns war mir klar, dass alles, was ich wirklich wollte, war, bei Elizabeth bleiben zu können.
    »Nein«, erwiderte ich, als ich mich genug beruhigt hatte, um sprechen zu können. »Du bist nicht meine Mutter. Du wärst es geworden, wenn Catherine nicht mein Leben kaputt gemacht hätte.«
    Als ich nach oben lief, bemerkte ich erschrocken eine rasche Bewegung vor dem Fenster. Ein Auto raste die Auffahrt entlang.
     Ich sah Grants Profil, geduckt hinter dem Steuer. Bremsen quietschten, und Kies spritzte, als er vor dem Haus parkte.
    Während ich die Treppe hinaufhastete, stürmte Grant auf die Veranda. Ich lehnte mich an die Wand, um unbemerkt zu bleiben. Grant klopfte nicht und wartete auch nicht, bis Elizabeth an die Tür kam.
    »Du musst damit aufhören«, keuchte er.
    Elizabeth durchquerte das Zimmer. Ich malte mir aus, wie sie sich vor ihm aufbaute. Nur die Fliegengittertür trennte sie voneinander.
    »Ich höre nicht auf«, erwiderte Elizabeth. »Irgendwann wird sie meine Vergebung annehmen. Sie muss es einfach.«
    »Das wird sie nicht. Du kennst sie nicht mehr.«
    »Was? Was soll das heißen?«
    »Genau das. Du kennst sie nicht mehr.«
    »Ich verstehe kein Wort«, flüsterte Elizabeth. Ihre Stimme konnte das beharrliche Pochen kaum übertönen. Es klang wie Grants Fuß auf der Veranda oder seine Fingerknöchel am Rahmen des Fliegengitters. Ein nervöses, ungeduldiges Geräusch.
    »Ich bin nur gekommen, um dich zu bitten, nicht mehr anzurufen. Bitte.« Schweigen entstand zwischen ihnen.
    »Du kannst nicht verlangen, dass ich sie vergesse. Sie ist meine Schwester.«
    »Vielleicht«, entgegnete Grant.
    »Vielleicht?«
Unvermittelt erhob Elizabeth die Stimme. Ich stellte mir vor, dass ihr Gesicht erhitzt und gerötet war. Hatte Elizabeth etwa die falsche Frau verfolgt? War Grant womöglich gar nicht ihr Neffe?
    »Damit meine ich nur, dass sie nicht die Schwester ist, die du kanntest. Bitte, glaube mir.«
    »Menschen verändern sich«, antwortete Elizabeth. »Die Liebe nicht. Familien auch nicht.«
    Wieder herrschte Schweigen, und ich wünschte, ich könnte ihre Gesichter sehen, um zu erkennen, ob die beiden zornig, gleichgültig oder den Tränen nah waren.
    »Doch«, erwiderte Grant schließlich. »Die Liebe verändert sich.« Ich hörte Schritte und wusste, dass Grant sich zum Gehen anschickte. Als seine Stimme wieder ertönte, war sie weit entfernt. »Sie füllt Marmeladengläser mit Feuerzeugbenzin und reiht sie auf dem Küchenfensterbrett auf. Sie sagt, sie will deinen Weinberg anzünden.«
    »Nein.« Elizabeth klang weder erschrocken noch ängstlich, nur ungläubig. »So etwas würde sie niemals tun. Es ist mir gleichgültig, wie sehr sie sich in den fünfzehn Jahren verändert hat. So etwas würde sie nie tun. Sie liebt diese Reben ebenso wie ich. Das war schon immer so.«
    Die Tür des

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