Die verborgene Stadt - Die Prophezeiung
Arbeitgeber. In dieser misslichen Lage entschied sich Wambo für eine spontane Reaktion und kroch unter seinen Schreibtisch.
Santiago ignorierte die in ihrer Schockstarre verharrenden Leibwächter, griff beherzt unter die Tischplatte und zog den beleibten Geschäftsführer mit erstaunlicher Leichtigkeit darunter hervor.
»Guten Tag, Herr Kommissar. Welche Ehre für mich und meinen Club, für das gesamte Geschlecht der Eulins … Wünschen Sie ein Separée?«
Während Wambo diesen Unsinn plapperte, baumelte er einige Zentimeter über dem Boden an Santiagos ausgestrecktem Arm und überlegte angestrengt, was er dem furchtgebietenden Nawen angetan haben könnte. Seine rosigen Bäckchen waren vor Schreck eingefallen, seine Äuglein rollten nervös in den Höhlen und seine fettigen Lippen verzerrten sich zu einem gezwungenen Lächeln. In Santiagos eisernem Griff befand sich nicht nur der Kragen von Wambos schickem Sakko, sondern auch eine dicke Falte seiner empfindlichen, eulinschen Haut, doch der Geschäftsführer traute sich nicht, dem Nawen diesen schmerzlichen Umstand mitzuteilen.
»Wie ich sehe, freuen Sie sich über unsere Begegnung«, flötete Santiago.
»Und wie!«, bestätigte Wambo eilfertig und bemühte sich, weniger heftig zu schaukeln. »Was verschafft mir die Ehre?«
»Ich habe Ihren Club für ein Treffen mit Cortes ausgewählt«, begann der Kommissar, nachdem er die vor Angst flackernden Augen seines Gesprächspartners direkt
vor seinem Gesicht platziert hatte. »Ich ging davon aus, dass Ihr Lokal ein ruhiger, gesitteter Ort sei, an dem man sich in Ruhe unterhalten kann. Cortes ist auch gekommen und …«
»Und?« Der Dicke zuckte zusammen.
»Er wurde entführt! Sie werden verstehen, dass ich äußerst enttäuscht bin. Augenscheinlich ist Ihr feines Lokal kein gemütlicher Club, sondern ein Banditennest. Eine miese Gangsterkneipe! Und Sie, mein lieber Wambo, sind der verantwortliche Betreiber! Sie sind ein Mafioso !«
»Ich bin kein Mafioso«, wisperte der Eulin.
»Bitte?«
»Ich bin kein Mafioso, sondern Geschäftsführer …«
Die Leibwächter hatten sich inzwischen davongestohlen. Sie hatten keine Lust, Zeuge von Wambos Tod zu werden.
»Ein skrupelloser Mafioso sind Sie«, wiederholte Santiago. »Wäre es nicht eine gute Idee, die Stadt von Ihrem Gangsternest zu befreien?«
Wambo hatte nicht den geringsten Zweifel daran, dass der oberste Kriegsmagier des Dunklen Hofs in der Lage war, seinen Club dem Erdboden gleichzumachen. Er begann jämmerlich zu winseln und blickte unterwürfig in die undurchdringlichen schwarzen Augen des Kommissars.
»Ich bin unschuldig.«
»Wer hat Cortes entführt?«
»Die Luden. Der Baron Metscheslaw.«
»Warum?«
»Das weiß ich nicht. Er hat mir befohlen, ihn zu benachrichtigen, sobald Cortes auftaucht, und das habe ich getan. Während der Baron hierher unterwegs war, hat sich ein weiterer Humo zu Cortes gesellt, ein gewisser Artjom. Dann ist Metscheslaw mit seinen Drushina-Leuten angerückt und hat sie alle verschleppt.«
Der Naw knirschte drohend mit den Zähnen.
»Ich schwör’s bei meinen Kindern, Santiago«, jammerte der Eulin weiter. »Ich hatte keine Ahnung, dass diese Humos für Sie arbeiten!«
An Wambos kreidebleichem Gesicht war abzulesen, dass er sich lieber erhängt hätte, als dem Nawen in die Quere zu kommen. Der Kommissar stellte ihn auf den Schreibtisch und rückte ihm sorgsam die Krawatte zurecht.
»Wo haben die Luden die Humos hingebracht?«
»In den Grünen Hof.«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich habe gehört, wie einer der Luden zu einem anderen gesagt hat, dass sie zur Königin Wseslawa gebracht werden.«
»Vielen Dank, Wambo«, sagte Santiago und ließ den Geschäftsführer stehen, doch im Türstock hielt er noch einmal kurz inne und drehte sich um. »Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür, dass mein Besuch vertraulich bleiben muss?«
Der Eulin presste die flache Hand auf die bei ihm wenig ausgeprägte Körperregion zwischen Bauch und Hals und brachte so zum Ausdruck, dass er dafür vollstes Verständnis hätte.
Grüner Hof, Hauptquartier des Herrscherhauses Lud
Moskau, Lossiny Ostrow
Mittwoch, 28. Juli, 01:14 Uhr
»Drecksschlampe!«, zischte Wseslawa und nestelte an ihrer zerrupften Frisur.
»Wie Eure Majestät meinen«, erwiderte Jana achselzuckend und begutachtete missmutig den abgerissenen Spaghettiträger ihres Kleides. »Aber Eure Wortwahl ist mit Verlaub schockierend.«
Die Königin wandte sich
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