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Die verborgenen Bande des Herzens

Die verborgenen Bande des Herzens

Titel: Die verborgenen Bande des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Deveney
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Zimmer.
    »Mach das nicht noch einmal, Carol Ann«, sagt er mit völlig gefasster Stimme und würdigt mich dabei keines Blickes. » Es reicht .« Und dann zieht er so heftig an seiner Krawatte, dass sie sich in einer einzigen fließenden Bewegung von seinem Hals löst.
    Die folgende Woche verbringt Josie im Krankenhaus, wo man versucht, ihren Zustand zu stabilisieren. Ihr Körper weist jeden Versuch zurück, ihn zu retten. Ich sehe Dr. Montgomery umringt von seinen Krankenschwestern und Ärztekollegen, doch irgendwie erweckt das ganze Team den Eindruck von Hoffnungslosigkeit. Es fehlt in ihrer Körperhaltung die wachsame Anspannung, die man unwillkürlich einnimmt, wenn der Ausgang des Kampfes noch nicht entschieden ist. Sein Team hingegen strahlt traurige Ohnmacht aus, vermischt mit Resignation.
    »Ich denke, es wäre am besten, wenn Josie nach Hause gebracht wird, in ihre vertraute Umgebung«, teilt Dr. Montgomery mir behutsam mit, und dieser Satz enthält so viel Unausgesprochenes, so vieles, worüber ich nicht reden kann. Ich gebe ihm mit meinem Blick zu verstehen, dass ich nicht will, dass er mehr dazu sagt.
    Man hat Josie eine Morphiumpumpe verpasst. Das Morphium wird durch einen kleinen Katheder in den Bereich des Rückenmarks transportiert. Das heißt, dass sie sich nunmehr nicht mehr so abmühen muss, Unmengen von Schmerzmitteln zu schlucken.
    »Damit dürfte sie eigentlich keine Schmerzen mehr haben«, erklärt mir Dr. Montgomery. Ich frage, welche Dosis Schmerzmittel in der Pumpe enthalten ist. Genug für ein, zwei Monate, erwidert er.
    »Man kann sie nachfüllen«, sagt er und tätschelt meinen Arm.
    In den ersten zwei Tagen nach ihrer Heimkehr aus dem Krankenhaus hat Josie eine gute Phase. Sie lächelt. Redet. Wir sehen zusammen fern. Ich spüre, wie Hoffnung in mir aufkeimt, wie die ersten Schneeglöckchen, die sich durch die gefrorene Wintererde schieben. Zerbrechlich, aber wunderschön. Doch am dritten Tag ist sie kaum ansprechbar. Sie hat eine derart schlimme Nacht gehabt, dass Alex im Büro anruft und sich freinimmt. Das ist ein absolutes Novum. Später wird mir klar, wie gedankenlos es von mir war, mich nicht darüber zu wundern.
    Der Arzt kommt am Vormittag, zeigt uns, wie wir die Dosis des Morphiums in der Pumpe erhöhen können, damit Josie möglichst schmerzfrei bleiben kann. Ich telefoniere mit Dr. Montgomery, dränge ihn, die nächste Behandlung anzuvisieren.
    »Carol Ann, alles, was wir bisher versucht haben, spricht bei Josie nicht an« sagt er mit sanfter Stimme. »Deshalb ist sie ja jetzt wieder zu Hause.«
    Er will, dass ich der Wirklichkeit ins Auge sehe, aber ich weigere mich. Ich will mich nicht geschlagen geben, sage ich zu mir, presse den Telefonhörer ans Ohr, lehne mich mit der Stirn gegen die Wand. Ich spüre, wie sich das Muster der Relieftapete in meine Haut drückt. Ich will mich nicht geschlagen geben.
    »Ich will ganz ehrlich zu Ihnen sein«, sagt Dr. Montgomery. »Wir sind an unsere Grenzen angelangt.«
    Um die Mittagszeit ist Josie über einen etwas längeren Zeitraum hinweg wach. Ich versuche, sie dazu zu bringen, ein paar Löffel einer leichten Suppe zu essen, aber sie ist gereizt und quengelig. Am Nachmittag fällt sie in einen so tiefen Schlaf, dass sie kaum noch bei Bewusstsein zu sein scheint. Alex geht sanft mit mir um und meint, ich solle mich für eine Weile hinlegen, er werde an ihrem Bett wachen. Er werde mich sofort rufen, wenn Josie mich brauche. Ich bin ihm dankbar für diese kleine rücksichtsvolle Geste, die wieder für etwas Wärme zwischen uns beiden sorgt.
    »Danke«, erwidere ich und lege meine Hand auf seinen Arm.
    Ich schlafe zwei Stunden und erwache dann jäh, ein schreckliches Zittern ergreift von mir Besitz, als würde ein Schwarm Insekten in meinem Körper aufflattern. Ich weiß es. Ich stürze zu ihrer Schlafzimmertür. Josie. Josie. Meine Josie. Ich reiße die Tür auf.
    Das Erste, worauf mein Blick fällt, sind Alex’ Schuhe. Meine Augen konzentrieren sich auf diese Schuhe, und weniger auf Josie oder Alex. Schwarz, breite Kappen, bequeme Schuhe, die er zur Jeans trägt. Ein kleiner Erdklumpen klebt am Absatz des rechten Schuhs, aber was mir am meisten ins Auge sticht, ist, dass sie so akkurat nebeneinander hingestellt wurden. So sorgfältig. Sie wurden nicht hastig weggestoßen. Sie wurden ausgezogen und ordentlich und mit Bedacht nebeneinander hingestellt. Die Schuhsenkel sind in die Schuhe gestopft, schleifen nicht auf dem Boden. Ich weiß

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