Die verborgenen Bande des Herzens
Matthews seine Frau umgebracht haben soll. Wenn ich nur eine Minute den Verdacht habe, dass Sie einen Journalisten mit mehr Informationen versorgt haben als Kennedy …«
McFarlane fängt nun an, regelrecht zu toben, und bringt sich dabei immer mehr in Rage. Ich lasse sein Donnerwetter schweigend über mich ergehen. Ich kann ihm jetzt schließlich nicht erzählen, dass Thornton eine Menge Mist geschrieben hat, den ich ihm eingeflüstert habe, und dass Carol Ann achtundzwanzig Riesen beim Pferderennen gewonnen hat. McFarlanes schmales, raubvogelartiges Gesicht schiebt sich über den Schreibtisch zu mir her. Ich fühle mich bedrängt, würde am liebsten die Hand ausstrecken und ihn auf seine Seite verweisen.
»Es könnte sein, dass wir es mit einem Mord zu tun haben, aber wir wissen so wenig über den Fall, dass sogar schon irgendwelche Reporter aus der Stadt hier Spekulationen anstellen können. Die sind uns weit voraus!«
»Sie ist nicht tot.«
McFarlane knallt wütend die Zeitung auf den Tisch.
»Sie sind Polizistin, Karen! Haben Sie wegen dieser Wahrsagerin Ihren Verstand verloren? Wir arbeiten mit Fakten. Mit Beweisen. Wir lassen uns nicht von den Ahnungen oder Gefühlen einer kleinen Nachwuchspolizistin in die Irre führen. Sie haben uns da in eine sehr peinliche Lage gebracht.«
»Sie ist nicht tot«, wiederhole ich. »Über zweihunderttausend Personen werden jährlich in diesem Land als vermisst gemeldet.«
»Ich kenne die Zahlen besser als Sie«, schnappt McFarlane zurück. »Aber die Medien denken eben nicht, dass es sich bei ihr nur um eine gelangweilte Hausfrau handelt, die mit ihrem Freund abgehauen ist. Für sie alle ist der Fall ein gefundenes Fressen. Die BBC hat mich angerufen, die Lokalzeitungen, die landesweite Presse …« Er schaut mich erwartungsvoll an. Als ich keine Erklärung biete, schüttelt er den Kopf.
»Es zeichnet sich immer deutlicher ab, Karen, dass Sie sich die Stelle bei der Kripo aus dem Kopf schlagen können.«
Mist, Mist, MIST ! Ich hätte diesen verdammten Thornton nicht hinzuziehen dürfen.
»Das stimmt nicht. Sie wissen , dass ich eine der besten Kräfte hier bin.«
»Mackies Arbeit in jüngster Zeit hat mich mehr beeindruckt als alles, was Sie mir in Ihrer ganzen beruflichen Laufbahn geliefert haben.«
Mackie! Zweifellos steht mir meine Abneigung ins Gesicht geschrieben. Zum ersten Mal wird mir jäh bewusst, an wen mich Mackie erinnert. Der Vergleich springt so sehr ins Auge, dass mein Unterbewusstsein die ganze Zeit unglaublich hart gearbeitet haben muss, um ihn zu unterdrücken. Lee Mackie ist groß und fett und schwitzt wie ein Schwein. Er widert mich an. Er erinnert mich an meinen Vater. McFarlane beäugt mich verwundert, dann seufzt er. »Karen«, sagt er nun in einem etwas gemäßigteren Ton. »Gehen Sie nach Hause und sehen Sie zu, dass Sie wieder einen klaren Kopf bekommen. Sie sind sich selbst oft der schlimmste Feind.«
Auf der Heimfahrt schalte ich das Autoradio ein. McFarlane hat umgehend auf die Presseberichte reagiert. Er ist wie ein Politiker, stets darauf bedacht, sich abzusichern. Carol Ann ging gern an einem kleinen See in der Nähe ihres Hauses spazieren, und deshalb hat McFarlane beschlossen, ein spezielles Team von Tauchern dort hinzuschicken, die das Gewässer absuchen sollen. Die Tatsache, dass er diesen Plan während unserer kleinen Unterredung nicht erwähnt hat, zeigt mir, wie sehr er darauf bedacht ist, mich künftig zu übergehen. Ich bin wütend, habe das Gefühl, wie ein Kind abgekanzelt worden zu sein. Mein Fuß steigt heftig auf das Gaspedal.
»Ein unglaubliches Maß an Anstrengungen wurde bislang auf diesen Fall verwendet«, höre ich McFarlanes Stimme aus dem Radio. »Zusätzlich haben wir uns gestern entschlossen, ein Unterwasserteam der Polizei von Strathclyde einzusetzen. Carol Ann Matthews war überaus beliebt und geschätzt, und wir beabsichtigen, mit unserer Suche fortzufahren, bis wir herausgefunden haben, was mit ihr geschehen ist. Die Personensuche sowie die Ermittlungen der Kriminalpolizei werden auf höchster Ebene geleitet und überwacht.«
Überaus beliebt und geschätzt. Damit meint er bei der bürgerlichen Mittelschicht. Die Ampel vor mir schaltet auf Rot, und ich steige auf die Bremse. Ich drehe das Radio aus, und McFarlanes Stimme bricht abrupt ab. Wenn es nur immer so leicht wäre, sich unangenehme Zeitgenossen ein für alle Mal vom Hals zu schaffen.
Mein Herz macht einen Satz, als ich am nächsten Morgen im
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