Die verborgenen Bande des Herzens
McFarlane. »Ich weiß, Sie verstehen sich auf die harten Sachen, aber ich möchte sehen, ob Sie in der Lage sind, sich in andere Menschen hineinzudenken.« Ich bezweifle, dass er die Ironie der Tatsache erfasst, dass er es bei diesen Worten tunlichst vermeidet, mich anzusehen. Während er über Empathie faselt, spielt er die ganze Zeit mit seinen bunten Büroklammern und sortiert sie in separate Behälter, rote, gelbe, grüne und weiße. Rot für das Zeug, das dringend ist. Gelb für das Zeug, das nächste Woche dringend sein wird. Grün für das Zeug, das nie dringend sein wird. Und blau für wer verdammt noch mal hat dieses Zeug auf meinen Schreibtisch gelegt ?
»Es kann sich natürlich auch herausstellen, dass sie eine gelangweilte Hausfrau ist, die mit ihrem neuen Freund auf und davon ist«, sagt McFarlane und fingert an einer roten Büroklammer herum, die sich mit einer blauen verheddert hat. »Eben das sollen Sie herausfinden, Karen. Und falls die Kripo eingeschaltet werden muss, werden Sie weiter an dem Fall dranbleiben und als Ansprechpartnerin für die Angehörigen der vermissten Frau fungieren.«
Mackie dreht sich in gespieltem Interesse zu mir her, seine bösen Augen glitzern amüsiert. Ich halte seinem Blick stand.
McFarlane dreht seinen Stuhl ein Stück zur Seite, um einen Stapel Papiere erreichen zu können, und dabei fällt das Licht auf sein dünnes, braun und blond meliertes Haar. Im Profil sieht man deutlich seine kantige Hakennase und die leicht geblähten Nasenflügel. Er ist groß und dünn und erinnert an einen Raubvogel. Einen Habicht vielleicht.
Ich schaue ihm noch eine Weile bei seiner Büroklammersortiererei zu und empfinde tiefste Verachtung.
»Sie sollten eine Aufgabe dieser Größenordnung nicht im Alleingang bewältigen wollen, Chef«, kommentiere ich. Er ist so vertieft ihn seine Arbeit, dass er anfangs auf meine Bemerkung gar nicht reagiert, immer weiter labert, doch nach einer Weile hebt er plötzlich den Blick.
»Was haben Sie da gesagt?«, fragt er mich.
»Wie bitte?«
»Was haben Sie da eben vor einer Minute gesagt?«
»Keine Ahnung«, erwidere ich mit ausdrucksloser Miene. »Vielleicht, wie super Sie sind, Chef? Worüber haben wir eigentlich geredet?«
Ein kaltes Lächeln blitzt in seinem Gesicht auf.
»Ach bitte, holen Sie mir doch einen Becher Tee, Karen, ja?«, sagt er. »Seien Sie so gut.« Woraufhin er sich wieder seiner Sortiererei widmet.
Nach dem Gespräch ging ich erst einmal schnurstracks zur Toilette, um meine Fassung wiederzugewinnen, doch kaum war ich in unser Büro zurückgekehrt, legte Mackie schon los.
»Karen darf ganz allein einen Vermisstenfall bearbeiten«, erzählte er brühwarm den Kollegen.
»McFarlane denkt, sie ist die Einzige, die dafür geeignet ist. Sie haben recht, Chef, hab ich gesagt. Dieser Fall schreit danach, von einer Frau in die Hand genommen zu werden. Und Karen erfüllt diese Anforderung von uns allen noch am ehesten.«
Irgendjemand kicherte.
Ich lächelte kalt und ging zu Mackies Schreibtisch. »Ach, Mackie«, erwiderte ich, hob die Hände und kniff ihm offenbar bestens gelaunt in seine beiden Wangen. »Es überrascht mich, dass du je so nahe an eine Frau herangekommen bist, um eine zu erkennen.« Dann klatschte ich mit den Händen so fest gegen seine Wangen, dass meine Fingerabdrücke darauf zu sehen waren.
»Wie wäre es, Karen, wenn du mir ein bisschen Nachhilfe geben würdest, was Frauen angeht. Willst du mich nicht aufklären?« Seine Schweinsäuglein versanken fast in seinen fleischigen Wangen. Hier und da hörte ich einen Lacher.
»Ich bin eine gute Lehrerin, aber für Sonderschüler bin ich mir zu schade, Mackie«, versetzte ich, stieß mit dem Fuß seine ausgestreckten Beine zur Seite und ging zum Waschbecken, um den Wasserkessel für McFarlane zu füllen.
Hinter meinem Rücken hörte ich Mackies Stimme, leise und anzüglich.
»Oh, Karen, ich liebe es, wenn du mich hart rannimmst.«
Er rieb sich die Hände und tat so, als würde er erschauern. Ich ignorierte ihn und füllte den Kessel. Ich spürte die ganze Zeit Mackies Blick in meinem Rücken.
»Karen?«
Automatisch drehte ich mich herum.
»Würdest du eine Tasse für mich mit machen?«
Ich schenkte ihm ein zuckersüßes Lächeln und schaltete den Kessel ein, dann ging ich hinüber zu ihm. Ich stellte mich vor seinen Schreibtisch und stützte mich mit den Knöcheln auf die Platte. Sofort wanderte Mackies Blick zu meinen Titten. Er fuhr sich mit der Zunge
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