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Die verborgenen Bande des Herzens

Die verborgenen Bande des Herzens

Titel: Die verborgenen Bande des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Deveney
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spitzen Ton anklingen. »Ich glaube Ihnen, dass Sie ihn wirklich sehr gut kennen.«
    Für einen kurzen Moment erstarrt ihr Lächeln zu einer Maske, sie weiß nicht, wie sie meine Bemerkung auffassen soll. Gut. Ihre dreiste Selbstsicherheit ist für eine Sekunde ins Wanken gebracht worden. Sie ist etwa Mitte zwanzig, ein Alter, wo sie sich noch allzu sicher ist. Sie ist sich der Welt, ihrer selbst, ihrer Macht sicher. Die Zeit hat sie noch nicht herausgefordert. Aus der Nähe kann ich die wunderbare milchweiße Blässe ihres Teints sehen, die Ansammlung winziger schwacher Sommersprossen auf ihrem Nasenrücken. Alex nippt an seinem Glas mit solch betonter Lässigkeit, dass ich weiß, dass ihm die Situation furchtbar peinlich ist. Ist mir egal, Hauptsache, sie weiß, dass ich es weiß.
    Und dann plötzlich ist es nicht mehr wichtig. Es ist nicht wichtig, was sie denkt. Denn die Zeit wird sie zurechtstutzen. Ich brauche ihre Träume gar nicht zunichtezumachen, denn die Zeit wird es für mich erledigen. Sie denkt, sie und Alex sitzen gemeinsam auf der stabilen Basis dieses Dreiecks, in dessen oberem spitzem Winkel ich in Einsamkeit hocke und jederzeit zum Absturz gebracht werden kann. Sie täuscht sich. Bisweilen stellt sich einem die Frage nicht mehr, mit wem man zusammen sein will: Man ist gebunden. Das ist einfach so. Sie wird Alex verlieren. Ich weiß es. Alex weiß es. Die Einzige, die es noch nicht weiß, ist sie.

27. Kapitel
    Karen
    B renda, die Wahrsagerin, trifft kurz nach meiner Mittagspause mit dem Zug aus Glasgow ein. McFarlane hat mir für ein paar Tage eine junge Polizeianwärterin zur Seite gestellt, Pam Ferguson. Sie ist ganz nett, und es macht mir nichts aus, wenn sie bei anderen Fällen zugegen ist, aber dass sie mit Alex zu tun bekommt, das will ich unbedingt verhindern. Sie sieht ziemlich gut aus. Ich sage ihr, sie kann heute als Fahrerin fungieren.
    Ich lasse meinen Blick über die Menge der Fahrgäste schweifen, die aus dem Zug aussteigen, und halte Ausschau nach potentiellen Wahrsagerinnen. Die künstlerisch angehauchte Person mit der großen Oberweite könnte es sein, denke ich. Oder die mit der wilden Haarmähne und den vielen Klunkern.
    Dann sehe ich Brenda.
    Instinktiv weiß ich, dass es Brenda ist. Ohne jeden Zweifel.
    »Oh Gott«, murmle ich.
    »Was ist?«, will Pam wissen.
    Ich deute mit dem Kopf zum Bahnsteig. Dort geht eine ältere Frau, am Arm hat sie eine Einkaufstasche aus festem Stoff mit Schottenkaromuster hängen, aus der der weiße Schraubverschluss einer Thermosflasche herausschaut. Sie trägt einen braunen Tweedrock, flache Schnürschuhe und eine hellblaue Jacke mit Reißverschluss. Beim Gehen wackelt sie leicht mit dem Oberkörper hin und her. Aber der Grund, weswegen ich so sicher weiß, dass es sich um Brenda handelt, ist der, dass sie ihre Lippen bewegt, als würde sie mit sich selber reden. Mit anderen Worten, sie spinnt.
    »Ist sie das?«, fragt Pam ungläubig. »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Ich habe einen Blick in meine Kristallkugel geworfen.«
    »Aber sie sieht nicht aus wie eine Wahrsagerin. Sie sieht aus wie meine Tante Nora.«
    »Sie könnte auch gut Ihre Tante Nora sein.«
    Nachdem wir Brenda auf dem Rücksitz unseres Panda verstaut haben, hüllt sie sich anfangs in Schweigen, doch nach ein paar Minuten höre ich von hinten Geflüster. Ich spähe hinüber zu Pam, die am Steuer sitzt. Sie wirft mir einen Blick zu und schaut dann in den Rückspiegel.
    »Verzeihung, Brenda, haben Sie was gesagt?«
    »Nö, ist schon gut, Kindchen«, sagt sie. »Ich plaudere nur ein bisschen. Die Leute denken immer, dass Wahrsager sich nur bei Seancen mit unseren Freunden auf der anderen Seite unterhalten, aber manchmal fangen die schon zu reden an, noch bevor man ihnen eine Frage gestellt hat.« Sie kichert in sich hinein. »Die wollen immer mitmischen, verstehen Sie, was ich meine?«
    »Ach, tatsächlich?«, erwidere ich und schaue aus dem Seitenfenster.
    »Aber ja, die sind immer zugegen. Das war auch der Grund, weswegen ich gemerkt habe, dass ich die Gabe besitze«, erklärt Brenda, bückt sich zu ihrer Tasche am Boden und kramt darin herum. »Die Stimmen, müssen Sie wissen. Als ich noch ein Kind war, sagte meine Mammie immer, ich würde mehr mit denen auf der anderen Seite reden als mit den Lebenden. Da hat sie gar nicht mal so unrecht gehabt«, fügt sie hinzu. »Obwohl es in unserer Gegend so viele schrullige alte Weiber gab, dass es manchmal schwierig war, zwischen den Toten

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